Der ORF veröffentlicht seinen neuen Ethikkodex für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Medienhauses am Dienstag – dem STANDARD und anderen Medien liegt er seit Ostermontag vor. Er regelt etwa Nebenbeschäftigungen, den Auftritt auf Social Media und den Umgang mit politischen Vertretern, um das Vertrauen in den ORF nach so manchem fragwürdigen Vorfall in der Vergangenheit zu gewährleisten. Der Ethikkodex wird zeitgleich mit dem ersten Transparenzbericht über Spitzengehälter und Gehaltsstrukturen im ORF veröffentlicht.

ORF für alle-Logo im ORF-Zentrum
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Harald Fidler

Schon Anschein der Unvereinbarkeit vermeiden

ORF-Chef Roland Weißmann hatte im Vorjahr eine Ethikkommission in Kraft gesetzt, die sich mit der Ausarbeitung bzw. Nachschärfung von Regeln befasst hat. In dem 25-seitigen Ethikkodex wird festgehalten, dass Vertrauen wichtig für die Akzeptanz des ORF sei. Um Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu wahren, müsse der Anschein einer Unvereinbarkeit vermieden werden.

Strenger Maßstab für Gesichter des ORF

Der Kodex gilt für alle ORF-Mitarbeiter sowie Personen, deren Verhalten dem ORF zugerechnet werden kann. "Gesichter des ORF" – also besonders bekannte ORF-Mitarbeiter wie etwa Moderatoren – wie auch Direktoren und Führungskräfte unterliegen einem besonders strengen Maßstab. Die Verhaltensgrundsätze umfassen die Bereiche Nebenbeschäftigungen, Social Media, Unternehmenskommunikation, Antikorruption, Interessenkonflikte und politische Aktivitäten.

Zu Nebenbeschäftigungen (Moderationen, Vortragstätigkeiten, Buchveröffentlichungen etc.) hält der Kodex fest, dass diese auch im Interesse des ORF sein könnten, sofern keine Unvereinbarkeit vorliege. Denn: "Die Mitarbeitenden des ORF verfügen über ein großes Ausmaß an Expertise, die etwa in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur gefragt ist." Von Nebenbeschäftigungen, die geeignet seien, das Ansehen des ORF zu schädigen, in ihrem Umfang die Tätigkeit für den ORF zu beeinträchtigen oder auch einen Interessenkonflikt zu begründen, müssten die Mitarbeiter aber Abstand nehmen. Nebenbeschäftigungen redaktioneller Führungskräfte seien besonders restriktiv zu handhaben.

Achtsamkeit bei Auftraggebern, über die ORF regelmäßig berichtet

Besondere Achtsamkeit sei bei Auftraggebern geboten, über die der ORF regelmäßig berichtet – etwa politische Institutionen, parteinahe Organisationen und Institute oder auch Interessenvertretungen. ORF-Mitarbeiter dürften zudem weder über den Auftraggeber einer Nebenbeschäftigung noch über den Anlass der Nebenbeschäftigung berichten. Jede Nebenbeschäftigung müsse vom jeweils vorgesetzten Dienststellenleiter genehmigt werden. Zudem dürften die Tätigkeiten nur in der Freizeit ausgeübt werden.

Auch auf Social Media objektiv, unparteiisch, sachlich

Zum Punkt "Social Media" hält der ORF fest, dass diese als Chance betrachtet würden, um neues Publikum anzusprechen und die ORF-Marken zu stärken. Die Unterscheidung von beruflicher und privater Sphäre sei auf den Plattformen für Dritte aber nur schwer oder gar nicht möglich. Bei Äußerungen in sozialen Medien seien daher die Werte des ORF (Objektivität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit) zu berücksichtigen. Kritische Auseinandersetzungen oder persönliche Wertungen über Dritte müssten "stets sachlich" und begründet sein. Äußerungen, mit denen demonstrativ Sympathie oder Antipathie gegenüber politischen Institutionen zum Ausdruck gebracht werden, seien für ORF-Mitarbeiter unzulässig – auch Likes, Dislikes oder Retweets seien zu berücksichtigen. Je exponierter ein Mitarbeiter, desto sensibler und kritischer seien deren Social-Media-Äußerungen zu beurteilen, heißt es im Ethikkodex.

Stellungnahmen zu betriebsinternen oder unternehmenspolitischen Themen des ORF müssten mit der Unternehmenskommunikation bzw. dem ORF-Chef abgestimmt werden. Ausgenommen seien Belegschaftsvertreter.

"Antikorruption"

Zum Punkt "Antikorruption" steht geschrieben: "Der ORF duldet keine Verhaltensweisen, die das Unternehmen oder seine Mitarbeitenden mit nicht gesetzeskonformen Vorgängen oder Handlungen in Verbindung bringen." Der Status als ORF-Mitarbeiter dürfe niemals genutzt werden, um sich Vorteile wie Sachgüter, Dienstleistungen oder sonstige geldwerte Vorteile wie Mitgliedschaften zu verschaffen. Prinzipiell gelte ein allgemeines Geschenkannahmeverbot, das Ausnahmen etwa für ortsübliche Geschenke geringen Werts (bis zu 100 Euro) vorsieht.

ORF-Mitarbeiter sind laut Ethikkodex zudem dazu verpflichtet, private Interessen und die Interessen des ORF streng voneinander zu trennen. Geeignet, zu einem Interessenkonflikt zu führen, seien etwa Naheverhältnisse zu Politikern oder Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen. Da das Entstehen von Interessenkonflikten nie gänzlich verhindert werden könne, müsse umso mehr durch Transparenz jeder Zweifel an der Unabhängigkeit vermieden werden. Die ORF-Mitarbeiter seien verpflichtet, etwaige Interessenkonflikte Vorgesetzten zu melden.

Politische Funktionen unvereinbar

Auch politische Aktivitäten schränkt der ORF ein. Unvereinbar seien etwa die Ausübung einer politischen Funktion oder die Kandidatur dafür, Wahlengagement und demonstrative öffentliche politische Sympathie- und Antipathieerklärungen. Die Unterstützung gesellschafts-, sozial-, umwelt- oder weltpolitischer Themen könne zu einer Unvereinbarkeit führen, wenn sich diese Themen mit parteipolitischen oder ideologischen Anliegen überschneiden. Im Zweifel sei daher davon Abstand zu nehmen.

Zu politischen Parteien und deren Vertretern sei "stets professionelle Distanz zu wahren". Der Aufbau von Vertrauensverhältnissen stehe dem nicht zwangsläufig entgegen. Solidarisierung und "Verhaberung" seien schon im Ansatz zu vermeiden. Für früher politisch tätige Personen wird bei der Anstellung im Informationsbereich eine "Cooling-off-Periode" von in der Regel fünf Jahren empfohlen.

Der Ethikkodex wird von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann als Dienstanweisung erlassen und ist unmittelbar verpflichtend. Verstöße könnten arbeits-, zivil- und möglicherweise auch strafrechtliche Folgen haben, heißt es gegen Ende des Kodex. (APA, red, 1.4.2024)