Die Spitzengehälter im ORF von 170.000 Euro jährlich aufwärts muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk mittlerweile jedes Jahr bis 31. März dem Kanzleramt melden und in der Folge auch selbst veröffentlichen. Am Sonntag ging der Bericht pünktlich ans Kanzleramt, am Ostermontag sickerten damit auch gleich präzisere Zahlen über ORF-Bruttobezüge sowie Nebeneinkünfte der Bestverdiener durch als in den Tagen zuvor schon. DER STANDARD hat nun die komplette Liste.

Am Dienstag hat der ORF den Transparenzbericht auf ORF.at veröffentlicht – zusammen mit dem neuen Ethikkodex, der Nebenbeschäftigungen des ORF-Personals neu regelt, wie auch seine Auftritte auf Social Media.

ORF-Augenlogo vor ORF-Zentrum in Wien.
ORF-Augenlogo vor dem ORF-Zentrum in Wien.
Harald Fidler

Kratky vor Strobl vor Weißmann

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann liegt – wie schon zuvor bekannt – nur auf Platz drei in den Gehaltscharts des ORF. Vor ihm kommt "Ö3-Wecker"-Star Robert Kratky mit 443.894,39 Euro jährlichen ORF-Bezügen im Jahr 2023 zu liegen, plus 8.500 Euro an monatlichen Nebeneinkünften.

Rang zwei geht an Pius Strobl, dessen Vertrag noch Weißmanns Vorgänger Alexander Wrabetz vereinbarte. 425.677,43 Euro brutto bezog er 2023 vom ORF, weitere 2.500 Euro aus Nebeneinkünften. Strobl managte das 303 Millionen Euro teure Bau- und Sanierungsprojekt ORF-Zentrum auf dem Küniglberg innerhalb des Budget- und Zeitplans. Bis zu seinem Engagement drohte das gewaltige Vorhaben schon auf den ersten Metern aus dem Ruder zu laufen. Strobl übernahm auch mehrere Hauptabteilungen wie Sicherheit und Humanitarian Broadcasting.

ORF-Chef Weißmann steht in der Liste mit 425.500,04 Euro ORF-Bruttobezügen 2023. In seinem Vertrag stehen 380.000 Euro Fixgehalt, die er in einem Interview schon genannt hat, nach seinen damaligen Angaben rund zehn Prozent unter dem Bezug seines Vorgängers. Die übrigen rund 45.000 Euro sollen insbesondere auf Bonifikationen zurückzuführen sein. Einbezogen werden in die Transparenzdaten alle Bruttobezüge des jeweiligen Jahres, unter die auch Zahlungen aus dem Vorjahr fallen können.

Spitzengehälter in ORF-Töchtern GIS/OBS und Enterprise

Ergänzung: Für seine Tochterunternehmen - die Gebührentochter GIS, nun OBS (ORF-Beitrags-Service) - und die Werbevermarktungstochter ORF Enterprise - meldet der ORF in seinem Transparenzbericht weitere vier Dienstnehmer über der 170.000er Marke.

Der ORF-Zentralbetriebsrat versuchte über den Obersten Gerichtshof gegen die Veröffentlichung der Daten vorzugehen.

Der Transparenzbericht bezieht sich lediglich auf Einkünfte im Kalenderjahr 2023. In diesem Jahr wurde eine Reihe von Führungskräften neu bestellt – etwa die drei neuen Chefredakteure und Chefredakteurinnen im ORF-Newsroom oder der Ö3-Chef.

19 Prozent der ORF-Belegschaft über 100.000 Euro jährlich

Der ORF muss neben der namentlichen Nennung von Spitzenverdienern auch die Gehaltsstruktur offenlegen. 19 Prozent der hier angeführten 3.425 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen im ORF (Muttergesellschaft ohne Töchter) mehr als 100.000 Euro pro Jahr. Nur 26 Prozent dieser 651 Personen mit mehr als 100.000 Euro pro Jahr sind Frauen.

33 ORF-Dienstnehmer mit mehr als 4.000 Euro monatlich aus Nebenjobs

Wie viele Menschen im ORF (hier: Muttergesellschaft ohne Töchter) in welchen ORF-Gehaltsklassen haben Nebeneinkünfte in welcher Höhe? Das zeigt diese Tabelle aus dem Transparenzbericht über das Jahr 2023. Wer nach rechts scrollt, kommt zu den ganz hoch dotierten Nebenjobs mit mehr als 12.000 Euro pro Monat – solche haben laut Bericht zwei ORF-Angestellte.

668 Personen im ORF-Personal haben Nebenjobs, die ihnen bis 1.150 Euro pro Monat brutto bringen. 152 liegen darüber und bis 4.000 Euro brutto pro Monat. Darüber und bis 8.000 Euro monatlich aus Nebentätigkeiten haben 24 ORF-Dienstnehmer. Sieben haben mehr als 8.000 und bis zu 12.000 Euro monatlich aus Nebenjobs. Und zwei liegen hier jenseits der 12.000er-Marke.

ORF will Drohungen und Rufschädigung "rechtlich verfolgen"

ORF-General Weißmann lässt dazu verlauten: "Der ORF war immer ein transparentes Unternehmen und bekennt sich grundsätzlich auch zu den neuen, verschärften Transparenzvorgaben."

Die ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene namentliche Veröffentlichung aller Gehälter inklusive Überstundenabgeltungen, Zulagen, Boni – über 170.000 Euro brutto pro Jahr plus allfälliger gemeldeter Nebeneinkünfte – sieht der ORF, "wie auch zahlreiche Juristinnen und Juristen, durchaus kritisch, weil außer dem ORF keine andere öffentliche Organisation oder Institution im Land dazu verpflichtet ist und sie in erster Linie die Neiddebatte schüren und öffentliche Polemik befeuern wird".

Es sei zu befürchten, "dass die Veröffentlichung dieses Berichts zu weiterer Polemik bis hin zu persönlichen Angriffen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses führen wird". Dagegen verwahrt sich Weißmann, und er kündigt an: "Der ORF wird auch jegliche rufschädigenden Äußerungen oder gar Drohungen gegen einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter rechtlich verfolgen."

1,3 Prozent der Belegschaft über 170.000 Euro brutto

Der ORF-General betont, dass "lediglich rund 1,3 Prozent der gesamten Belegschaft im Konzern" über 170.000 Euro brutto jährlich liege. "Die große Mehrzahl der Führungskräfte in diesem Gehaltsbereich übt eine Direktions- oder Geschäftsführungsfunktion im Konzern aus oder ist Hauptabteilungsleiter/in oder Prokurist/in." Damit sei Führungsverantwortung für "dutzende bis hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" verbunden, teils unmittelbare Budgetverantwortung "im zwei- bis dreistelligen Millionen-Euro-Bereich" sowie bei Geschäftsführungsfunktionen die entsprechende persönliche Haftung. Alle Managementfunktionen im ORF seien vertraglich befristet, betont Weißmann.

Ein Teil der nun veröffentlichten Gehälter sei "durch alte Kollektivverträge aus den 70er- und 80er-Jahren und sehr lange Betriebszugehörigkeit begründet". Weißmann: "Derartige Verträge werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr abgeschlossen und sind somit im Auslaufen."

Rund ein Drittel der Personen auf der Liste gehe in den kommenden drei Jahren in Pension oder sei bereits im vergangenen Jahr aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Der ORF habe in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die Gesamtkosten und auch die Personalkosten sowie die Pro-Kopf-Kosten nachhaltig zu senken. Weißmann nennt hier etwa die Einführung neuer Kollektivverträge bis zu Lohnrunden weit unter der Teuerungsrate. "Diesen Weg werden wir fortsetzen", erklärt der General. Sein Gehalt und das der Direktorinnen und Landesdirektoren wird übrigens nicht valorisiert.

Weißmann verweist in seiner Stellungnahme zum Transparenzbericht auch auf neue Verhaltensregeln im ORF: "Der von mir mit fachlicher Expertise einer international besetzten Kommission entwickelte Ethikkodex, der nun in Kraft gesetzt wird und den wir zeitgleich mit dem Transparenzbericht veröffentlichen werden, wird zusätzlich zu Transparenz, klaren Rahmenbedingungen und strengeren Regulativen, insbesondere im Bereich der Nebenbeschäftigungen und dem Umgang mit der Politik, beitragen."

ÖVP und FPÖ gegen ORF-Gagen

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker erklärte per Aussendung am Ostermontag zum Gehaltsbericht: "Die exorbitanten Gagen im ORF müssen ein Ende haben." Und: "Es liegt an der Führung des ORF aufzuklären, wer diese Traumgagen genehmigt hat und wie sie zustande gekommen sind." Auch Nebenjobs seien "zu hinterfragen". FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker kritisierte in einer Aussendung "Rekordgagen" im ORF und verlangte neuerlich "eine Totalreform" des ORF in Richtung eines "verschlankten 'Grundfunks'" und die Abschaffung des ORF-Beitrags. Die FPÖ will den ORF aus dem wesentlich aus allgemeinen Steuern finanzierten Bundesbudget finanzieren.

Über die nun detaillierten und tatsächlich dem Bundeskanzleramt vorliegenden Transparenzdaten über ORF-Bruttobezüge ab 170.000 Euro jährlich berichtete zunächst "Heute" online. (Harald Fidler, 1.4.2024)