Christian Stocker, Generalsekretär der ÖVP, ist kein Volkstribun, spontanes Formulieren und schlagfertiges Entgegnen sind nicht wirklich seine Sache. Umso bemerkenswerter war sein Auftritt Dienstagabend im Interview mit Armin Wolf in der "ZiB 2", denn in diesem Gespräch kamen gleich mehrere Genres zur Geltung: Launiges und Giftiges, Realsatire und Aufrechnung.

Zu Beginn ging es um den von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in die Diskussion geworfenen innenpolitischen Zeitvertreib: den Plan, die österreichische Leitkultur zu definieren – um die als austro-identitätsstiftend erkannten Sitten und Gebräuche in der Folge "ins Gesetz zu tun", wie Stocker ausführte. Zu diesem Zweck werde man "mit der Bevölkerung diskutieren und die Meinungen einholen": Leitkultur als Leit-Kultur.

Armin Wolf und ÖVP-General Christian Stocker in der
"Aber das stimmt so nicht": Armin Wolf widerspricht mehrfach ÖVP-General Christian Stockers Angaben über seine eigenen Bezüge.
ORF ZiB 2 Screenshot

Maibäume und Blasmusik

Nur, was genau ist ein österreichischer Brauch? Es gehe um die "Werte, Sitten und Gebräuche, die in einer Region dominant sind", antwortete der Politiker auf die diesbezügliche Frage. "Maibaum aufstellen?", mutmaßte Wolf. "Maibaum aufstellen gehört sicher dazu", antwortete Stocker.

Auch sei "Blasmusik" ein Kulturmerkmal, betonte der ÖVP-Mann – obwohl sich Erich Riegler, Obmann des Österreichischen Blasmusikverbandes, gegen politische Vereinnahmung dieser Musikrichtung verwahrt. "Blasmusik ist etwas, das in diesem Land in weiten Teilen praktiziert wird", sagte Stocker.

Dann spannte er den Bogen hin zum Thema Integration, das in der Bundesregierung Ministerin Susanne Raab innehat, die bekanntlich auch der türkisen Leitkultur-Initiative vorsteht. Durch "Vermittlung der Traditionen, aus denen wir kommen", würden "jene, die zu uns kommen, auf unsere Werte hingewiesen werden", sagte der ÖVP-Mann.

Identitäre Anklänge

Nun hat die Sache mit der Tradition hier einen Haken. Vergangene Woche wurde ein ÖVP-Leitkultur-Sujet mit einen Maibaum schleppenden Stutzenträgern und den Worten "Tradition statt Multikulti" rasch wieder zurückgezogen. Der Slogan ähnelte dem von der deutschen AfD verwendeten, von den rechtsextremen Identitären stammenden Satz "Leitkultur statt Multikulti".

Was Stocker dazu sage, wollte Wolf wissen. Das ÖVP-Sujet sei ein Fehler gewesen, konzedierte dieser. Ursprünglich jedoch handle es sich um "Missbrauch des Begriffs Leitkultur durch die Identitären".

Stockers Einkommen "stimmt so nicht"

Und dann schwenkte das Gespräch hin zur Neidkultur – denn es ging um Geld. Der ORF hat dieser Tage auftragsgemäß einen Transparenzbericht über die Gehälter seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veröffentlicht. Die zum Teil hohen Gagen sorgen für Aufsehen.

Warum gebe es nicht auch für Politiker eine derartige Offenlegungspflicht?, wollte Wolf wissen. Es gebe sie durchaus, konterte Stocker. "Also, was verdienen Sie?", wurde Wolf konkret – woraufhin sich Stocker in einer unübersichtlichen Summenkaskade erging.

"Das stimmt so nicht", intervenierte Wolf, selber Gutverdiener, mehrmals. "Ich verstehe, Sie haben ein Problem mit Ihrem Gehalt", ließ Stocker die Unterhaltung daraufhin ins Persönliche kippen. "Hab ich nicht." – "Hab ich auch nicht." Zuletzt diagnostizierte Stocker bei Wolf "Wehleidigkeit". Ein Ende ganz im Sinne einer österreichischen Unkultur. (Irene Brickner, 3.4.2024)

"ZiB 2": ÖVP-Generalsekretär Stocker zur Leitkultur-Debatte
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nimmt zu Vorwürfen Stellung, die ÖVP würde mit der angestoßenen Leitkultur-Debatte nach Wählern am rechten Rand fischen.
ORF