Mehr als eine Milliarde Euro nimmt der öffentlich-rechtliche ORF ein, mehr als zwei Drittel davon kommen aus den ORF-Beiträgen. Er ist damit das weitaus größte Medienunternehmen im Land.

Mit dem verpflichtenden Beitrag unabhängig vom Empfang verpflichtete die Regierung von ÖVP und Grünen den ORF, jährlich seine Gehaltsstruktur und Nebeneinkünfte offenzulegen – ab 170.000 Euro auch namentlich, orientiert an der britischen BBC. 62 Namen stehen auf der Liste mit ORF-Bezügen bis 444.000 Euro pro Jahr und Nebenverdiensten, die in zwei Fällen jenseits von 12.000 Euro monatlich liegen - die komplette Übersicht der ORF-Spitzenbezüge finden Sie hier.

Wie lassen sich derart beeindruckende Gagen in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen erklären? Warum kommt eine Senderchefin vor, die anderen nicht? Wieso erhält eine Landesdirektorin mehr als andere? Und wer legt die Gagen eigentlich fest? Ein Versuch der Einordnung, nicht der Rechtfertigung, entlang konkreter Beispiele:

Collage mit ORF-Logo: Medienminsterin Susanne Raab (ÖVP), Ö3-Wecker Robert Kratky, ORF-General Roland Weißmann, ORF-Manager Pius Strobl und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Die ÖVP und die ORF-Spitzengagen: Medienminsterin Susanne Raab (ÖVP), Ö3-Wecker Robert Kratky, ORF-General Roland Weißmann, ORF-Manager Pius Strobl und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
APA (2), Corn, ORF, Imago, Collage: Lukas Friesenbichler

Der Radiostar

Ö3-Wecker-Star Robert Kratky führt die Liste der Spitzenverdiener mit brutto rund 444.000 Euro an. Die Position macht ihn zum Ziel der Empörung, wohl auch jener Empörung, die sich am verpflichtenden ORF-Beitrag aufgestaut hat. Warum bekommt Kratky so viel Honorar als freier Dienstnehmer? Den Vertrag hat noch ORF-General Alexander Wrabetz ausverhandelt. Die Gage bemaß sich damals an einem laut Insidern "weit höheren" Angebot eines privaten Medienunternehmens, mit dem Kratky abgeworben werden sollte.

Kratky ist nicht alleine, aber besonders als "Mr. Wecker" ein zentraler Erfolgsfaktor für Ö3, die Morgenzone die wichtigste Nutzungszeit für solche Radios. Dem neuen Transparenzbericht des ORF ist neben den Gagen auch zu entnehmen: Ö3 spielte 2023 für den ORF 58 Millionen Euro mit Werbung ein.

Der Baumanager

Pius Strobl ist die Nummer zwei in den ORF-Gehaltscharts mit fast 426.000 Euro pro Jahr. Der damalige ORF-Chef Wrabetz holte den Medienmanager 2018 zurück in den ORF, um das aus dem Ruder laufende Bau- und Sanierungsprojekt ORF-Zentrum zu managen. Strobl tat das im Zeit- und Budgetplan von 303 Millionen. Ein wesentlicher Teil der Gage soll erfolgsabhängig sein. Eine Bedingung Strobls soll gewesen sein: Er wolle im ORF nicht weniger als mit seiner Agentur verdienen.

Intern soll er seine stolze Gage auch damit argumentieren, dass er zudem drei früher getrennte Hauptabteilungen leite – Facility-Management, Sicherheit, Humanitarian Broadcasting hätten getrennt mehr gekostet. Der Vertrag des 67-Jährigen ist mit Ende 2026 befristet und nur mit Auszahlung kündbar.

Das Generalsgehalt

ORF-Chef Roland Weißmann liegt in der Gehaltsliste auf Platz drei, knapp hinter Strobl, mit 425.500 Euro. Sein Fixgehalt bezifferte Weißmann selbst mit 380.000 Euro, dazu kommen Bonifikationen. Nach dessen Angaben liegt Weißmanns Fixum rund zehn Prozent unter dem seines Vorgängers.

Verhandelt hat Weißmann seine Generalsgage ab 2022 mit dem damaligen Stiftungsratschef Norbert Steger von der FPÖ.

Wer bestimmt die Gagen?

Grundsätzlich entscheidet der ORF-Generaldirektor oder die -Generaldirektorin als Alleingeschäftsführer des ORF über die Entlohnung des ORF-Personals. Nicht wenige Namen in der ersten Transparenzliste der Spitzengagen haben ihre Verträge mit Weißmanns Vorgängern ausgedealt.

Und wer entscheidet über die Entlohnung von General und Direktorinnen? Ein Vergütungsausschuss des Stiftungsrats.

Der Stiftungsrat ist das oberste ORF-Entscheidungsgremium, er bestellt General und Direktorinnen. Die größte Fraktion im Stiftungsrat stellt die ÖVP schon seit 2018; seit der Koalition von ÖVP und Grünen hat die Volkspartei alleine die entscheidende Mehrheit. Die ÖVP von Medienministerin Susanne Raab und Generalsekretär Christian Stocker, die gerade die ORF-Gehälter anprangern.

Menschen mit Einblick in das Vergütungsgremium berichten, dass vor Vertragsgestaltung internationale Vergleichswerte eines Personalberaters eingeholt werden. Der ORF-General liegt unter seinem Schweizer Kollegen und auf der Flughöhe deutscher Intendanten.

Die Direktorinnen und Direktoren – Ingrid Thurnher, Stefanie Groiss-Horowitz, Harald Kräuter – beziehen brutto pro Jahr 270.270 Euro, Finanzdirektorin Eva Schindlauer knapp 10.000 Euro mehr. Sie liegen rund 20 Prozent unter ihren Vorgängern.

Landesdirektorengagen mit großer Spannweite

Warum bezieht die Salzburger Landesdirektorin Waltraud Langer mit gut 250.000 Euro brutto pro Jahr so viel mehr als der Wiener ORF-Landesdirektor Edgar Weinzettl mit gut 185.000 Euro? Landesdirektoren werden nach der höchsten Verwendungsgruppe in ihrem Kollektivvertrag plus Mehrdienstpauschalen und Verwendungszuschlag bezahlt. Im ORF gibt es ein halbes Dutzend Kollektivverträge – je jünger, desto ungünstiger für die Beschäftigten.

Sparen am Personalchef

Chats von FPÖ-Spitzen in der ÖVP-FPÖ-Regierung 2018/19 dokumentieren deren Freude, dass das langjährige FPÖ-Mitglied Kathrin Zierhut auf Drängen etwa von Stiftungsratschef Steger in die einflussreiche Position der ORF-Personalchefin gehievt wurde. Nach Infos des STANDARD sieht ihr von Wrabetz abgeschlossener Vertrag einen Fixbetrag vor, den Zierhut in ihre neue Funktion als ORF-3-Co-Geschäftsführerin mitnahm. Im Transparenzbericht steht sie mit gut 260.000 Euro brutto auf Rang neun, der neue Personalchef Werner Dujmovits mit 219.000 auf Platz 22.

Fehlt da nicht wer?

Der Transparenzbericht dokumentiert die Bezüge 2023. Das erklärt etwa, warum die erst im Dezember angetretenen drei neuen Chefredakteurinnen und Chefredakteure des ORF noch nicht aufscheinen. In einem nächsten Transparenzbericht nach aktuellem Muster dürften sie sich dann dort wiederfinden. Die Senderchefs von Ö3, Michael Pauser, und Ö1, Silvia Lahner, wurden auch erst mit August und September 2023 formell bestellt.

Gewaltige Nebenjobs

Beeindruckend sind die als Monatsschnitt ausgewiesenen Nebeneinkünfte von ORF-Beschäftigten aus Werbung, Vorträgen, Moderationen. Zwei nicht namentlich Genannte kommen auf mehr als 12.000 Euro nebenbei.

Unter den namentlich Genannten hat Moderator Andi Knoll mit rund 9600 Euro brutto monatlich die höchsten Nebenverdienste, Kratky hat 8500 Euro, Korrespondent Christian Wehrschütz kommt auf 5983,17 Euro und Vizechefredakteur Armin Wolf auf 3837,80. (Harald Fidler, 2.4.2024)