Es hätte wohl ein diskreter Job sein sollen. Wie DER STANDARD und die niederländische Investigativplattform "Follow The Money" am Freitag berichteten, fungiert Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seit April 2022 als einer von sieben Direktoren der Europa-Tochter von Masdar Solar & Wind mit Sitz nahe Amsterdam. Dabei handelt es sich um die Europa-Niederlassung eines bedeutenden Staatsunternehmens in Abu Dhabi, das in Wasserstoff investiert. Der Öffentlichkeit war dieses Engagement von Kurz bisher nicht bekannt. Was genau Kurz bei Masdar macht und wie viel er verdient, bleibt unklar.

Fest steht hingegen, dass Kurz noch kurz vor seinem Rückzug aus der Politik im Oktober 2021 eine "Wasserstoffallianz" mit Abu Dhabi verkündet hat. Der Unterzeichner seitens Abu Dhabi: der emiratische Industrieminister Ahmed Al Jaber. Er ist zugleich Chef des Unternehmens Masdar, bei dem Kurz bald darauf anheuerte.

Alleingesellschafter und Chef

Es gibt aber noch eine weitere Verbindung des Ex-Kanzlers nach Abu Dhabi. Laut Recherchen von STANDARD und "Follow The Money" ist Kurz auch Gesellschafter eines Unternehmens mit Sitz in Abu Dhabi. Firmenname laut emiratischem Handelsregister: Connect 2093 Management Consulting GmbH. Kurz fungiert demnach seit 25. Jänner 2023 als einziger Anteilseigner der Gesellschaft wie auch als Geschäftsführer.

Sebastian Kurz, hier nach der Urteilsverkündung im Zusammenhang mit dem Ibiza-U-Ausschuss im Landesgericht Wien im Februar, ist seit Anfang 2023 Alleingesellschafter eines Unternehmens in Abu Dhabi.
Sebastian Kurz, hier nach der Urteilsverkündung im Zusammenhang mit dem Ibiza-U-Ausschuss im Landesgericht Wien im Februar, ist seit Anfang 2023 Alleingesellschafter eines Unternehmens in Abu Dhabi.
Heribert Corn

Ihren Sitz hat Connect 2093 mitten in Abu-Dhabi-Stadt, im Wolkenkratzer Al Sila Tower. Dieser befindet sich im Besitz des Mubadala-Staatsfonds, wie auf der Website von Mubadala ersichtlich ist. Der Fonds ist zugleich Miteigentümer von Masdar Solar & Wind, ebenjenem Unternehmen, bei dem Kurz als einer der Europa-Direktoren fungiert. Weitere Kennzahlen zur Connect 2093, etwa die Mitarbeiteranzahl oder der Umsatz, sind nicht bekannt.

Als wäre das alles noch nicht genug der Querverbindungen, gibt es noch einen weiteren Konnex zwischen Kurz und Mubadala: Nach seinem Rücktritt als Kanzler im Oktober 2021 sprach Kurz im Auftrag von René Benkos Signa mehrmals beim schwerreichen Staatsfonds um potenzielle Investitionen vor. Es gelang Kurz zwar, die Emiratis vom Investment zu überzeugen – allerdings verklagte Mubadala die Signa nach deren Pleite Ende 2023 vor einem internationalen Schiedsgericht; zudem fiel Kurz um sein Beraterhonorar von 2,9 Millionen Euro seitens der Signa um.

Wer sind die Kunden?

Was treibt Kurz heute als privater Unternehmensberater in Abu Dhabi? Und vor allem – wer sind seine Kunden? Der Kurier berichtete im Vorjahr über Gerüchte, wonach der Ex-Kanzler als Berater im Sold von Adnoc stehe, dem mächtigen staatlichen Ölkonzern des Emirats. Im Start-up-Magazin Der Brutkasten wurde überdies Anfang 2023 ein Kurz-Sprecher mit der Information zitiert, wonach Büros in Tel Aviv und Abu Dhabi aufgebaut würden. Die Fragen von STANDARD und "Follow The Money" nach den Hintergründen jedenfalls beantwortete der Ex-Kanzler nicht. (Joseph Gepp, 6.4.2024)