Die jüngsten Wahlerfolge in Salzburg und in Graz lassen die KPÖ hoffen: Der Einzug in den Nationalrat könnte nach über 60-jähriger Pause im Parlament wieder gelingen. Das große Ziel für die Kommunisten ist die Vierprozenthürde, die für den Einzug in den Nationalrat notwendig ist. Bei der letzten Wahl im Jahr 2019 kam die Partei jedoch nicht einmal auf ein Prozent der Stimmen.

Die Chancen stehen für die Partei nun besser als noch vor knapp fünf Jahren. Umfragen legen nahe, dass die KPÖ den Einzug ins Parlament schaffen könnte. Von den Erdrutschsiegen, wie sie die KPÖ in Salzburg und Graz erzielen konnte, ist die Partei auf Bundesebene aber weit entfernt, DER STANDARD berichtete.

In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, stellt die KPÖ seit 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin. Einen Erfolg wollen die Kommunisten auch bei der kommenden Nationalratswahl feiern.
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Neben der Möglichkeit, mit vier Prozent der bundesweit abgegeben Stimmen fix ins Parlament einzuziehen, gibt es für Parteien aber auch noch einen anderen Weg in den Nationalrat: über ein Grundmandat, das sie in einem Regionalwahlkreis gewinnen. Dafür braucht es besonders viele Stimmen in einem spezifischen Wahlkreis.

Bislang ist es in der Zweiten Republik noch nie vorgekommen, dass eine Partei zwar die vier Prozent verfehlte, aber trotzdem mit einem oder mehreren Grundmandaten in den Nationalrat einzog. Meist sind es die Parteien ÖVP, FPÖ und SPÖ, die auf regionaler Ebene Mandate gewinnen. Besonders leicht zu gewinnen sind Grundmandate, auch Direktmandate genannt, im Regionalwahlkreis Graz und Umgebung. Also dort, wo die KPÖ zuletzt Erfolge feiern konnte. Doch warum ist das so? Ein Überblick.

Die Mandatsverteilung bei Nationalratswahlen erfolgt zuerst in den 39 Regionalwahlkreisen, die sich auf die neun Bundesländer aufteilen. Die Zahl der zu vergebenden Grundmandate variiert von Wahlkreis zu Wahlkreis. In Graz und Umgebung gibt es beispielsweise neun Grundmandate, im Wahlkreis Osttirol nur ein einziges. Grundsätzlich gilt: Je mehr Mandate in einem Wahlkreis, desto "billiger" das Grundmandat – es braucht also weniger Stimmen als in einem Wahlkreis mit niedriger Mandatsanzahl. Ist die Wahlbeteiligung auch noch gering, ist es in Wahlkreisen mit mehr Mandaten noch einfacher, diese zu gewinnen.

Beispiel Wien

Ein Beispiel für die Ermittlung der Mandate: In Wien gibt es sieben Regionalwahlkreise, in denen es 33 Grundmandate zu holen gibt. Zuerst wird die Anzahl der abgegebenen Stimmen (bei der Wahl im Jahr 2019 waren das rund 820.000) durch 33 geteilt. Das ergab für die sieben Wiener Regionalwahlkreise die sogenannte Wahlzahl von 24.800. Damit also eine Partei ein Grundmandat in einem der Wiener Wahlkreise gewinnen kann, braucht es 24.800 Stimmen – für zwei Grundmandate folglich 49.600.

Im Wahlkreis Wien-Süd gab es beispielsweise sieben Grundmandate zu holen, im Wahlkreis Wien-Innen-Ost nur drei. Bei der Wahl 2019 brauchte eine Partei in Wien-Süd nur 16,5 Prozent der Stimmen für ein Grundmandat – in Wien-Innen-Ost waren es mit 33,8 Prozent mehr als doppelt so viele. Im Wahlkreis Wien-Süd sind Grundmandate also "billiger" als im Wahlkreis Wien-Innen-Ost.

Graz und Umgebung mit "billigen" Grundmandaten

Der Wahlkreis Graz und Umgebung zählt mit neun Mandaten zu jenen Wahlkreisen, wo das Grundmandat "am billigsten" ist. Dort brauchte eine Partei bei der Wahl 2019 für das Grundmandat nur elf Prozent der Stimmen. Die KPÖ, die in Graz traditionell stark ist, kann sich deshalb Chancen ausrechnen, dort ein Grundmandat zu holen und damit in den Nationalrat einzuziehen – auch wenn die Partei die vier Prozent auf Bundesebene nicht schafft.

Vor knapp fünf Jahren war die KPÖ von diesem Ziel aber weit entfernt: Die Partei holte in dem Wahlkreis nur 1,8 Prozent der Stimmen. Die ÖVP konnte 2019 in Graz und Umgebung gleich zwei Grundmandate gewinnen, die SPÖ, die FPÖ und die Grünen jeweils eines. Das "teuerste" Grundmandat ist übrigens in Osttirol zu holen: Im dortigen Wahlkreis gibt es nur ein einziges Grundmandat – eine Partei braucht dafür über 90 Prozent der Stimmen.

"Gewaltiger Ausreißer"

Für Politikberater Thomas Hofer wäre es ein "gewaltiger Ausreißer nach oben", wenn die KPÖ im Wahlkreis Graz und Umgebung tatsächlich ein Grundmandat bei der Nationalratswahl holen könnte. "Nicht jeder Wähler, der die KPÖ in Graz oder Salzburg wählte, wählt die Partei auch auf Bundesebene", betont Hofer. Elke Kahr in Graz und Kay-Michael Dankl in Salzburg seien "regional verankert" und würden vor allem mit ihrer Authentizität vor Ort punkten.

Zusätzlich könnte laut Hofer auch noch die Bierpartei mit Dominik Wlazny ins Spiel kommen, die im gleichen Wählerpool fischt – was den Wahlkampf für die KPÖ wiederum erschwert. Dass die KPÖ auf regionale Hochburgen setzt, etwa auf Graz, könnte aber eine Taktik für den Wahlkampf sein, sagt Hofer. "Die KPÖ kann natürlich ihre Dominanz in diesen Hochburgen nutzen. Ein Erfolg ist da aber noch wahrscheinlicher bei der steirischen Landtagswahl als auf Bundesebene." Bei der Landtagswahl 2019 in der Steiermark konnte die KPÖ auch eines ihrer zwei Mandate im Landtag als Grundmandat in Graz und Umgebung gewinnen.

Nachdem die Mandate in den Regionalwahlkreisen klar sind, erfolgt die Verteilung auf Landes- und Bundesebene nach einem ähnlichen Schema. Dabei werden nur jene Parteien beachtet, die entweder die Vierprozenthürde bundesweit überschritten haben oder in einem oder mehreren Wahlkreisen ein Grundmandat holen konnten. Würde die KPÖ also in Graz ein Grundmandat gewinnen, könnte sie auch auf Landes- und Bundesebene Mandate gewinnen, auch wenn sie bundesweit die vier Prozent nicht überschreiten würde. (Max Stepan, 5.4.2024)