Die Stadt der Schießereien: Chicago ist die drittgrößte Stadt der USA und hat bundesweit eine der höchsten Kriminalitätsraten. Vergangenes Jahr wurden hier – wenn auch nicht alle mit Pistole – über 600 Personen umgebracht. Waffen von Glock sind die beliebtesten in den USA. Aber es gibt ein Problem: Diese Pistolen können mit wenig Aufwand in automatische Maschinenpistolen umgebaut werden – und die sind seit den 1930er-Jahren US-weit stark reguliert.

Ein Schalter macht's möglich

Konkret geht es um einen Schalter in der Größe einer Ein-Euro-Münze. Er ist ab 20 Dollar erhältlich oder wird von einem 3D-Drucker hergestellt. Angebracht an der Pistole, macht er binnen kürzester Zeit so aus einer normalen Schusswaffe eine vollautomatische Maschinenpistole, die laut Anklageschrift "bis zu 1.200 Schuss pro Minute feuern" kann. Das sei schneller als die standardmäßig genutzte Maschinenpistole des US-Militärs. Landläufig ist der Schalter als "Glock Switch" bekannt, wird aber nicht von Glock selbst produziert. Dennoch finde sich das Logo auf einigen der Add-ons.
Zwischen Anfang 2021 und 2023 hat die Chicagoer Polizei mehr als 1.100 Stück solcher umgebauten Pistolen aus dem Verkehr gezogen.

Nun klagt die Stadt Chicago im Bundesstaat Illinois gemeinsam mit der Non-Profit-Organisation Everytown Law, die sich für eine Reform des Waffenrechts einsetzt, Glock Inc. Das ist die erste Tochter des österreichischen Waffenherstellers Glock mit Firmensitz im Bundesstaat Georgia, und sie ist noch heute in dessen Besitz.

Eine schwarze Pistole wird von zwei Händen gehalten.
Chicago ist die erste Stadt, die klagt. Medienberichten zufolge prüfen auch andere Bundesstaaten rechtliche Schritte.
AP/Alex Brandon

Glock Inc. schaue nur untätig zu

In der 41 Seiten langen Anklageschrift wird behauptet, dass "Glock von der gefährlichen Praktik seit Jahren weiß". Zusätzlich "weiß Glock, dass es das Problem lösen könnte, hat sich aber dagegen entschieden", weil man Profit über die öffentliche Sicherheit stelle. Konkret wird daher gefordert, die Geschütze in Zukunft anders zu bauen, damit der Schalter nicht mehr so leicht angebracht werden kann. Bei anderen Produzenten sei das schon längst gang und gäbe. Dort übersteige die Modifikation die Fähigkeiten der meisten Benutzer, sagt Eric Tirschwell, Geschäftsführer von Everytown Law, zur "Washington Post".

Ziel der Anklage ist es, den "Verkauf und die Vermarktung dieser leicht modifizierbaren Pistolen zu untersagen". Betroffen ist einerseits der Onlinehandel, andererseits der stationäre Handel in Illinois, der den Chicagoer Markt bedient. Außerdem werden Strafzahlungen gefordert: dafür, dass Glock Inc. die leicht modifizierbaren Pistolen weiterhin an Zivilisten verkauft, eine Abänderung am Design verweigert und den unrechtmäßigen Besitz von Pistolen nicht verhindert, weil entsprechende Kontrollen und Sicherheitsvorkehrungen fehlen. Außerdem wird Schadenersatz gefordert: Glock habe wissentlich und vorhersehbar der Stadt Schaden zugefügt, eben weil sie vom Schalterproblem gewusst, aber die Pistole nicht umgestaltet haben.

Möglich macht das Ganze neben dem staatlichen Maschinengewehr-Verbot noch der Illinois Firearms Industry Responsibility Act. Er ist vergangenes Jahr in Kraft getreten und erlaubt, dass Hersteller von Feuerwaffen für öffentliche Schäden geklagt werden dürfen, die durch das Tätigwerden bzw. Untätigbleiben in Verkauf und Vermarktung zustande kommen. Chicago ist die erste Stadt, die eine solche Klage einbringt, der erste Verhandlungstermin soll Mitte Juli am Bezirksgericht von Cook County stattfinden.

Von Glock Inc. gibt es laut Medienberichten bisher kein Statement. Die österreichische Mutter hat auf eine STANDARD-Anfrage am Freitag nicht reagiert. (Sarah Kirchgatterer, 5.4.2024)