Österreich gegen Deutschland – da denkt man auch nach Jahrzehnten immer noch an Córdoba. Im ersten EM-Qualifikationsspiel unseres Damenteams tauchte dieser schon etwas verblasste Mythos wieder auf – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen.

ÖFB-Trainerin Irene Fuhrmann an der Seitenlinie
Auch ÖFB-Trainerin Irene Fuhrmann war sich der großen verpassten Chance bewusst.
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Vom Alter her hätte der deutsche Coach Horst Hrubesch durchaus im legendären WM-Spiel des Jahres 1978 mitmischen können. Der heute 72-Jährige schaffte aber erst zwei Jahre später seinen Durchbruch im DFB-Team und erwarb sich mit seinen zwei Toren im EM-Finale gegen Belgien den Ehrentitel "Kopfballungeheuer".

Der EM-Titel, und zwar beim Frauenturnier 2025 in der benachbarten Schweiz, ist wohl auch das letzte große Ziel, das sich die Hamburger Legende gesetzt hat. Grundvoraussetzung dafür ist die erfolgreiche Bewältigung der Qualifikation, in deren erstem Spiel die aufstrebende Auswahl der Österreicherinnen wartete.

Furiose erste Hälfte

Beide Teams liefen ersatzgeschwächt aufs Linzer Feld. Während Horst Hrubesch auf seine ebenfalls sehr kopfballbegabte "Wahlenkelin" Alexandra Popp verzichten musste, fehlten ÖFB-Trainerin Irene Fuhrmann mit Naschenweng und Zadrazil zwei Schlüsselspielerinnen vom FC Bayern München. Dennoch war die österreichische Elf gespickt mit Deutschland-Legionärinnen und ging vielleicht auch deshalb von der ersten Spielminute an hochmotiviert zu Werke. Ein satter Schuss von Celina Degen riss die 7.500 Zuschauer:innen schon in der 6. Minute von den Sitzen, der Ball ging aber über die Latte.

Wenig später aber versinnbildlichte Eileen Campbell den unbändigen Willen der rot-weiß-roten Gastgeberinnen. Mit einer einzigartigen Mischung aus tänzerischer Eleganz und kämpferischer Entschlossenheit ließ Österreichs Jungstar die deutsche Innenverteidigung alt aussehen und bugsierte die Kugel ins deutsche Netz. Doch damit nicht genug: In der 17. Minute verwandelte selbige Eileen eine mustergültige Freistoßvorlage von Barbara Dunst per Kopf zum 2:0 für Österreich.

Ein gerissener Faden

Wahnsinn, schon formte sich in den Köpfen der österreichischen Fußballfans ein opulentes Gemälde eines historischen Fußballtriumphs. Doch ehe sich diese mentalen Bilder nachhaltig in den Ganglien der Afficionados festsetzen konnten, war die furiose Anfangsphase Österreichs auch schon zu Ende. Gefühlt von einer Minute auf die andere hielten Zaghaftigkeit und auch ein gewisses Maß an Unsicherheit Einzug ins rot-weiß-rote Spiel. So wurden die deutschen Gäste auf eher unnötige Weise aus ihrer Starre geweckt. Es kam, wie es kommen musste. Die torgefährliche Klara Bühl nahm ein Geschenk der österreichischen Abwehr trocken an und bewies in der 38. Spielminute einmal mehr ihre Effizienz.

Obwohl es mit einer 2:1-Führung in die Kabinen ging, war die schwindende Zuversicht allerorten spürbar. Dies hatte in der zweiten Spielhälfte durchaus grausige Folgen! Denn schon vier Minuten nach Wiederanpfiff war der Vorsprung Österreichs egalisiert. Klara Bühl tat es ihrer Kontrahentin Campbell gleich und avancierte zur Doppeltorschützin.
Doch damit nicht genug! Eine Viertelstunde später verwandelte Giulia Gwinn einen zumindest einigermaßen fragwürdigen Elfmeter. Was sich allmählich immer stärker abgezeichnet hatte, wurde nun zur bitteren Realität: Deutschland hatte das Spiel gedreht. Die Österreicherinnen konnten auch in der letzten halben Stunde den spielerischen Faden des Anfangs nicht mehr aufnehmen, Torhüterin Zinsberger verhinderte durch einige tolle Paraden sogar noch weitere Gegentreffer.

Nach 90 Minuten stand fest: von 2:0 auf 2:3. Was für ein bitterer Abend! Wieder – so wie bei der EM 2022 im Viertelfinale – ein Spiel gegen das DFB-Team spektakulär verloren. Erneut wurde ein fußballerisches Naturgesetz verifiziert: Wenn es wirklich darauf ankommt, hat Deutschland die Nase vorn – das ist auch im Frauenfußball so. Deutsche bleiben eben Deutsche! Das lässt sich offensichtlich nicht ändern und nicht einmal gendern. Schade! (Claus Farnberger, 8.4.2024)