Immer mehr Flüchtlinge und Migranten kommen derzeit auf Zypern an.
Immer mehr Flüchtlinge und Migranten kommen derzeit auf Zypern an.
AP/Petros Karadjias

Nach jahrelangen zähen Verhandlungen dürfte das Asyl- und Migrationspaket der Europäischen Union endlich Realität werden. Am Mittwoch stehen im Europäischen Parlament die finale Debatte und die Abstimmung auf dem Programm. Auch wenn vor allem Links- und Rechtspopulisten sowie Grüne im Vorfeld Widerstand angekündigt hatten, gilt die Annahme des aus neun Rechtsakten bestehenden Pakets als wahrscheinlich. Danach muss in einem letzten Schritt noch der Europäische Rat zustimmen, also die EU-Mitgliedsstaaten. Auch das gilt als Formalität.

Begonnen hat alles 2016 nach den den großen Flucht- und Migrationsbewegungen in Richtung Europa. Die EU-Kommission schlug neue gemeinsame Asylregeln vor, um künftig besser für solche Ereignisse gewappnet zu sein – oder sie besser gleich ganz zu verhindern. 2020 legte sie einen Entwurf für ein entsprechendes Paket vor, erntete von vielen EU-Mitgliedsstaaten aber vor allem Skepsis.

Einigung kurz vor Weihnachten

Nach Jahren des Stillstands kam 2023 wieder Bewegung in das Vorhaben, schließlich wollten die EU-Organe die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) rechtzeitig vor der Europawahl im Juni 2024 beschließen. Damit, so die Intention, soll die Zahl der Ankünfte in der EU sowie das Sterben im Mittelmeer reduziert werden. Auch will man den Rechtsparteien, die Umfragen zufolge bei der Europawahl im Juni mit Zugewinnen rechnen können, beim heiklen Thema Migration etwas entgegensetzen. Kurz vor Weihnachten verkündeten die EU-Institutionen eine Einigung, nun folgt auch der formale Abschluss. Die wichtigsten Punkte des Pakets:

Die EU-Kommission und zahlreiche europäische Regierungschefs feiern dieses Paket als großen Coup, während es von verschiedenen Seiten Kritik daran gibt. Mitgliedsländern wie Ungarn sowie rechten Parteien sind die Regeln nicht restriktiv genug, während von linker Seite die Aushöhlung von Menschenrechten moniert wird. Asyl- und Migrationsexperten und -expertinnen bezweifeln, dass dadurch das Sterben im Mittelmeer ein Ende findet und die Ankunftszahlen sinken. Sie kritisieren vor allem, dass es an Abkommen mit Herkunfts- und Drittstaaten fehlt, um die Menschen nach den Schnellverfahren wie geplant rasch abzuschieben. Dadurch würden Massenlager mit katastrophalen Bedingungen drohen, wie es sie einst im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos gab.

Migration laut Umfrage nicht so wichtig

Und was das Argument betrifft, man könne den Rechtsparteien in Sachen Migration vor der Europawahl nun etwas Handfestes entgegensetzen: Laut einer Umfrage des European Council on Foreign Relations (ECFR) in zwölf EU-Staaten – darunter Österreich – spielt das Thema Migration bei vielen nur eine untergeordnete Rolle. Als wichtiger werden die globale Wirtschaftskrise, die Covid-Pandemie, der Klimawandel und der Ukrainekrieg gesehen. Nur in Österreich und Deutschland wird laut Umfrage das Thema Migration als wichtiger betrachtet.

Laut UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) sind heuer mit Stand 7. April bislang 44.750 Menschen in Europa angekommen. Das entspricht in etwa den Zahlen des Vorjahres, als mit insgesamt 270.180 Ankünften so viele wie seit den großen Flucht- und Migrationsbewegungen 2015 und 2016 nicht mehr registriert wurden. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht für den Jänner und Februar eine ähnlich Entwicklung wie im Jahr 2023. Ihren Zahlen zufolge gab es auf der zentralen Mittelmeerroute nach Italien und auf der Westbalkanroute einen deutlichen Rückgang, während es über Westafrika und der östlichen Mittelmeerroute zu einem dramatischen Anstieg kam. Zuletzt sind vermehrt Flüchtlinge und Migranten in Zypern angekommen. Die drei Länder, aus denen heuer bislang die meisten Menschen kamen, sind Mali, Syrien und Afghanistan.

Experten zufolge könnte es ein bis zwei Jahre dauern, bis das Asyl- und Migrationspaket umgesetzt wird – wenn überhaupt, denn einige Fragen sind weiterhin offen, etwa die, wo genau diese Lager an den Außengrenzen entstehen sollen. Unterdessen versucht die EU verstärkt, Migrationsabkommen mit Transit- und Herkunftsländern abzuschließen, um die Zahl der Ankünfte nach Europa zu reduzieren. Im März wurde eine entsprechende Partnerschaft mit Ägypten fixiert, Ähnliches gibt es bereits mit Mauretanien, Tunesien und der Türkei. (Kim Son Hoang, 10.4.2024)