Viel Arbeit kommt auf Wiens Schulen zu: Der Familiennachzug für Asylberechtigte bringt derzeit Monat für Monat viele junge Neuzuzügler in die Stadt.

Es ist eine Flüchtlingswelle im Kleinen: Weil Menschen mit Asylstatuts ihre Familien nachholen, ziehen derzeit jeden Monat rund 350 Kinder neu nach Wien – und brauchen Wohnraum, Klassenplätze, Lehrer. Kann die Stadt das schaffen? Eine optimistische Antwort fällt zunehmend schwer.

Denn die Neuankömmlinge landen in Schulen, die schon jetzt vielfach mit der Integration überfordert sind. Die Ergebnisse der Pisa-Tests sprechen Bände. Obwohl mehrheitlich in Österreich geboren, fallen Migrantenkids bei den Leistungen stark ab. Letztlich endet fast jeder und jede dritte in der Kategorie der frühen Bildungsabbrecher, was von Arbeitslosigkeit bis Armut eine schwere Hypothek für die Zukunft bedeutet. Die gesuchten Fachkräfte werden sich in diesem Pool eher selten finden lassen.

Und da reden wir noch gar nicht von kulturell bedingten Problemen, wie sie die Schulen ebenso bewältigen sollen – vom antimodernen Frauenbild bis zum islamisch befeuerten Extremismus. Viele Kinder und Familien seien leider nicht wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, hat der Lehrergewerkschafter Thomas Bulant, ein Sozialdemokrat, im STANDARD bilanziert.

Bittere Bestandsaufnahme

Die Schulen müssten eben endlich besser aufgestellt werden, heißt es in diesem Zusammenhang oft. Das ist ja auch richtig, doch vor überzogenen Erwartungen sei gewarnt. Österreich wird auf die Schnelle nicht eine Armada an zusätzlichen Lehrkräften hervorzaubern können, auch Reformen versprechen keine raschen Wunder. Alle Staaten, die eine ähnlich große Masse an Flüchtlingen aufgenommen haben, kämpfen mit vergleichbaren Schwierigkeiten. Schweden setzt auf die vielfach geforderte Ganztags- und Gesamtschule, erreicht aber dennoch keine besseren Ergebnisse.

Die bittere Bestandsaufnahme legt eine Schlussfolgerung nahe: Die Möglichkeiten des Bildungssystems, immer weiter Flüchtlingskinder aufzunehmen, sind an die Grenzen gestoßen. Soll die Integration halbwegs erfolgreich gelingen, muss der Staat den Zustrom an Asylberechtigten deutlich und dauerhaft drosseln.

Nicht um jeden Preis

Idealerweise gelingt dies über eine gesamteuropäische Lösung, wie sie die EU derzeit mit ihrem Asyl- und Migrationspakt versucht. Tatsächlich wäre es sinnvoll, Verfahren an den Außengrenzen abzuwickeln und Asylberechtigte in der Folge ausgewogen auf die Mitgliedsstaaten zu verteilen. Für den Fall, dass das Konzept scheitert, braucht Österreich aber einen Plan B. So schmerzvoll das aus humanitärer Sicht auch ist: Zwangsläufig darf diese Debatte Einschränkungen des Asylrechts nicht ausklammern.

Aber benötigt Österreich nicht Zuwanderung, weil die andernfalls schrumpfende Bevölkerung weder den Fachkräftebedarf der Wirtschaft befriedigen noch das Pensionssystem finanzieren könnte? Zweifellos – doch es macht einen Unterschied, wer genau kommt. Die Familien gezielt geworbener Arbeitsmigranten stellen die Integration vor geringere Herausforderungen als Flüchtlinge aus zerstörten, mitunter archaisch geprägten Regionen, die ein geringes Bildungsniveau, aber von schauderhaften Erlebnissen ausgelöste Traumata mitbringen. Manchen dieser Menschen soll Österreich auch weiterhin abseits ökonomischen Kalküls Schutz bieten – aber nicht um den Preis, die Funktionsfähigkeit der Schulen und anderer Institutionen aufs Spiel zu setzen. (Gerald John, 8.4.2024)