Ein Vater versucht ein weinendes Kind zu trösten 
Für viele Männer gehört eine Teilhabe am Leben des Kindes oder auch der Aufbau einer engen Beziehung zu "aktiven Vaterschaft".
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In Österreich gehen nur wenige Väter in Karenz. Nur zwei Prozent der Väter unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für drei bis sechs Monate. Eine Karenzzeit von über einem halben Jahr wählt nur ein Prozent der Väter. Und für acht von zehn Vätern ist Karenz gar kein Thema.

Wie steht es also in Österreich mit den Vorstellungen von "aktiver Vaterschaft"? Die neue Studie "Vatersein in Österreich" des Instituts für Familienforschung hat untersucht, welche Faktoren aktive Vaterschaft beeinflussen. Doch warum "aktive Vaterschaft", während niemand von "aktiver Mutterschaft" sprechen würde? Wird die Aktivität bei der Mutterschaft schon vorweggenommen, und die "Aktivität" der Väter gilt als Zusatzleistung zum Vatersein?

"Aktive Vaterschaft" oder auch "Väterbeteiligung" komme vor allem aus den Diskursen über familienpolitische Maßnahmen wie etwa die Beteiligung am Kinderbetreuungsgeld, erklärt Studienleiter Andreas Baierl den Begriff. Die Formulierung werde auch im familienwissenschaftlichen Diskurs verwendet, in der Bevölkerung sei sie allerdings nicht gängig.

Unterschiedlicher Start

Doch die Startpunkte für Mutterschaft und Vaterschaft seien tatsächlich "ungleich oder sogar gegensätzlich", sagt Baierl. Die Mutter sei ab dem Zeitpunkt der Schwangerschaft voll involviert. Mit der Geburt beginne eine sukzessive Loslösung vom Kind, während der Vater nun erst beginnen könne, Aufgaben zu übernehmen. "Das sind die Grundvoraussetzungen, die man sich vergegenwärtigen muss und die erklären, warum 'aktive Mutterschaft' absurd klingt", meint Baierl.

Im Rahmen der Studie wurden ausschließlich Tätigkeiten mit Kindern erfragt. 500 Väter, 250 Mütter und 250 Jugendliche beantworteten Fragen zur Aufteilung, Zuständigkeit und Verantwortung für Kinder durch Väter. Um sich mehr unter dem Begriff der "aktiven Vaterschaft" vorstellen zu können, hilft ein Blick darauf, was die Studienautor:innen nicht dazuzählen. Die Rolle des Familienernährers oder dass der Vater "unterstützend" und "entlastend" dazukommt, das gilt nicht als "aktive Vaterschaft". Ein Viertel der befragten Männer sieht aber nur darin ihre Rolle als Vater.

Für drei Viertel der Männer gehört mehr dazu: die Teilhabe am Leben des Kindes, der Aufbau einer engen Beziehung und dass man die Entwicklung des Kindes bestmöglich fördert. Seit den 1990er-Jahren steigt der Wunsch von Vätern nach mehr "Familienzeit" und somit auch nach Zeit mit ihren Kindern. Die Kehrseite ist, dass sie in dieser Zeit weniger aufregende und geschätzte Routinetätigkeiten mit Kindern noch immer seltener übernehmen als Mütter.

Arztbesuche, Körperpflege, trösten, Geschenke kaufen – Aufgaben wie diese gehörten zu den abgefragten Bereichen.

Für eine aktive und kompetente Vaterschaft gilt vor allem: Vater und Kind allein zu Hause. Das ist jene Konstellation, die Baierl als Dreh- und Angelpunkt für die Vaterrolle nennt. Zeit, in der Väter nicht nur "dabei" sind, sondern in der sie allein für ihr Kind verantwortlich sind, wirke sich positiv auf die Beziehung zum Kind und auf das Selbstbewusstsein von Vätern aus, sagt Baierl. Und auf das Zutrauen von Müttern, die noch immer gern automatisch als kompetent bei jeglichen Tätigkeiten mit und rund um das Kind gesehen würden. Die Studie zeigt auch: Wer ein solches Rollenbild nicht hat, hat auch mehr Vertrauen in das Können der Väter.

Die Frage der Haupt- oder Mitverantwortung wird seit einigen Jahren vor allem unter dem Stichwort "Mental Load" diskutiert. Steht eine Impfauffrischung an? Liegen im Frühjahr noch Shorts in der richtigen Größe im Kleiderschrank?

Bei den Fragen zu der Allein- oder Mitverantwortung unterscheidet sich die Einschätzung von Vätern und Müttern. Väter sehen mehr Bereiche mit gemeinsamer Verantwortung, Mütter sehen hingegen mehr Bereiche, für die sie sich allein verantwortlich fühlen. "Wo die Wahrheit liegt, ist schwer zu beurteilen", sagt Baierl. Die Tätigkeiten des Partners oder der Partnerin könne man nicht im selben Ausmaß einschätzen, denn die "eigenen Tätigkeiten bekommt man immer mit", die des anderen nicht, sagt Baierl.

Wunsch und Realität

Sowohl bei Jugendlichen als auch beim retrospektiven Blick von Vätern auf ihre eigenen Väter spielen gemeinsame Zeit und gemeinsame Unternehmungen eine zentrale Rolle. Die Hälfte der Befragten bewertet die Abwesenheit des eigenen Vaters als negativ. Die Studie zeigt auch, dass Annahmen über Bevölkerungsgruppen, die sich mehr oder weniger für ihre Kinder interessieren würden, nicht den Tatsachen entsprechen.

Bildungsstand, sozialer Status oder Migrationshintergrund spielten für "aktive Vaterschaft" keine Rolle. Es gebe Väter, die vor der Geburt eines Kindes kaum Ansprüche an sich als Väter hätten, letztlich aber sehr wohl aktive Vaterschaft lebten, sagt Baierl. Und es gebe jene, die die höchsten Erwartungen an sich als Väter hatten und sich letztlich doch auf ein typisches Modell eingependelt hätten. "Wir haben gesehen, dass in manchen Schichten der Wunsch und die Realität weit auseinanderklaffen."

Das kann auch aufgrund fehlender Aushandlungsprozesse passieren, "vielmehr pendelt es sich bei vielen irgendwie ein", sagt Baierl. Eine bewusste Gestaltung von Elternschaft fehle dann, die nochmals eine andere Baustelle sei als die Verteilung der Hausarbeiten.

Unabhängig vom Milieu

"Kinder haben auch so etwas wie eine Wahlfreiheit", sagt Baierl. Wem wollen sie die Hand geben, wer soll sie hinlegen – das würden auch sie entscheiden wollen. Nicht zuletzt deshalb sei die exklusive Zeit mit dem Kind wichtig: Denn wenn Mama einfach nicht da sei, müsse es der Vater sein, der vorliest, tröstet oder das gehasste Haarewaschen übernimmt. Es könne frustrierend und emotional sein, wenn man als Vater nicht die erste Wahl für das Kind sei. "Im Gegensatz zum Kind hat der Geschirrspüler noch nie Nein zu mir gesagt." Trotzdem ist es laut Baierl wichtig, "nicht lockerzulassen". (Beate Hausbichler, 10.4.2024)