Einsatz für Babler garantiert noch lange keinen Platz im Parlament. Nikolaus Kowall scheitert an den Hierarchien.
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Nikolaus Kowall bringt einiges mit, was einen tauglichen Kandidaten ausmacht. Als Wortführer der aufmüpfigen Sektion 8 in der Wiener SPÖ hat er sich die Marke des kritischen Linken aufgebaut. Gespür für Kampagnen bewies der studierte Ökonom ebenfalls, etwa im Kampf gegen Spielautomaten in Wien. Und er ebnete den Weg für den nunmehrigen Parteichef Andreas Babler, indem er mit der Ankündigung seiner Kandidatur die Öffnung der Mitgliederbefragung vor einem Jahr anstieß.

So jemand wird unter Babler nach oben kommen, könnte man meinen – doch weit gefehlt. Auf den Listen der Wiener SPÖ für die nahende Wahl ist der 41-Jährige so positioniert, das ein Einzug in den Nationalrat höchst unwahrscheinlich ist.

Falsche Herkunft

Das liegt zuallererst am Pech, aus dem falschen Bezirk zu stammen. Als Alsergrunder ist Kowall roter Spitzenkandidat im Regionalwahlkreis Innen West, wo ein direktes Grundmandat aus wahlarithmetischen Gründen extrem schwer zu ergattern ist. Gegen die dort starke grüne Konkurrenz müsste die SPÖ schon einen wahren Erdrutschsieg landen.

Wollte die Wiener SPÖ Kowall trotzdem ins Hohe Haus verhelfen, hätte sie ihn weit vorne auf die Landesliste setzen können. Doch diese spiegelt die Hierarchie in der Partei wider. Auf den ersten fünf Plätzen rangieren etablierte Personen mit bedeutenden Funktionen: Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bildungsdirektor Heinrich Himmer, Spitzengewerkschafterin Barbara Teiber, Nationalratsmandatar Jan Krainer, Mietervereinigungschefin Elke Hanel-Torsch. Wer in der Rangordnung nach oben klettern will, muss die viel zitierte Ochsentour absolvieren: Klinken putzen, Kontakte knüpfen, Allianzen schmieden – und nicht zu viel anecken.

Genau das hat Kowall aber getan. Einen Namen gemacht hat er sich in der Konfrontation, seine Sektion 8 galt als Inbegriff des Rebellentums. Der jugendlich-intellektuellen Gruppe wird eine tragende Rolle bei jenem denkwürdigen Akt am 1. Mai des Jahres 2016 zugeschrieben, den die einen als Notwehrmaßnahme, die anderen aber als Sündenfall sehen: Unzufriedene Genossinnen und Genossen hatten den amtierenden Kanzler und Parteichef Werner Faymann vom Rathausplatz gepfiffen – und so auch aus dem Amt.

Wen die Trottel wählen

Aufgeweckte, progressive Geister seien genau das, was die SPÖ brauche, sagen Fürsprecher Kowalls: Doch im strukturkonservativen Wiener Apparat, in dem Loyalität die höchste Tugend sei, habe einer wie er nie eine Chance.

Aus der Perspektive des Establishments stellt sich die Sache anders dar. Es liege in der Natur einer Partei, dass der Mainstream jene Kandidaten bevorzuge, die der eigenen Linie entsprächen, sagt ein Funktionär: "Wer die da oben als Trottel darstellt, braucht sich nicht wundern, wenn einen die Trottel dann nicht wählen."

Was erschwerend dazukommt: Mit seinem Einsatz für Babler setzte Kowall eine Initiative, die Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig nicht wollte. Der Bürgermeister hatte ja ursprünglich für Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner gekämpft. Erst als diese bei der Mitgliederbefragung scheiterte und es den Burgenländer Hans Peter Doskozil zu verhindern galt, engagierte er sich im Pro-Babler-Lager.

Weil Ludwig den Wechsel an der Bundesspitze nie wollte, hat er auch keine Veranlassung, sich von der Bundes-SPÖ bei den Kandidaten dreinreden zu lassen. Und angesichts der Vorgeschichte, so eine Interpretation aus dem Babler-Lager, seien die Wiener gerade besonders darauf erpicht, ihre Muskeln zu zeigen.

Babler blitzt ab

Dabei hatte sich Babler eine andere Aufstellung in Wien gewünscht, das betrifft nicht nur Kowall. Gut ins Profil gepasst hätte ihm etwa Muna Duzdar, als Anwältin eine der raren Freiberuflerinnen in der SPÖ. Doch die ehemalige Staatssekretärin rangiert an aussichtsloser Stelle – allerdings auch deshalb, weil sie in ihrem Heimatbezirk Donaustadt zur "falschen" Fraktion gehört.

Direkt eingesetzt hat sich Babler dem Vernehmen nach für Julia Herr – vergeblich. Die Vizechefin im Parlamentsklub landete auf Platz sieben der Landesliste, der keinen Einzug in den Nationalrat garantiert. Wäre das anders, hätte Babler auf der Wahlliste der Bundes-SPÖ mehr Spielraum gehabt, eigene Wunschkandidaten unterzubringen. Nun muss er Herr selbst "absichern".

Aus Sicht der Hauptstädter ist diese Lösung hingegen ideal: Zieht Herr über die Bundesliste ein, ist im Nationalrat ein Platz mehr für einen Wiener Vertreter.

Doch selbst bei der Auswahl der Bundeskandidaten hat Babler nicht freie Hand. Es gelte Rücksicht auf die Wünsche der Landesparteien und der Gewerkschaft zu nehmen, weiß Kowall, weshalb er auch auf der bis Ende April zu beschließenden Bundesliste nicht an wählbarer Stelle landen werde. Der Aktivist, der den Einzug nun über den Sonderweg des Vorzugsstimmenwahlkampfs zu schaffen versucht, zeigt dafür Verständnis: Die politischen Kosten dafür, es sich mit wichtigen Gruppen in der Partei zu verscherzen, "sind höher, als ich an Nutzen bringen kann". (Gerald John, 12.4.2024)