mumok hellberg
Die neue Mumok-Direktorin Fatima Hellberg (li.), Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne), Cornelia Lamprechter (kaufmännische Leiterin) und die scheidende Direktorin Karola Kraus.
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Kunstgeschichte auf neuen und pluralistischen Ebenen erfahrbar machen, demokratische Grundhaltungen üben, dort ansetzen, wo die Kunst auf das Leben trifft und das Leben auf die Kunst – so klingen die Visionen der am Donnerstag von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) als neue künstlerische Geschäftsführerin des Mumok präsentierten Fatima Hellberg. Wenn die 1986 geborene Kunsthistorikerin im Oktober 2025 im Mumok antritt, wird die Deutsche Karola Kraus das Haus im Museumsquartier seit 15 Jahren geleitet haben. Und Hellberg erstmals eine so große museale Institution übernehmen. In Schweden geboren, hat sie in Oxford Kunstgeschichte studiert und ist seit 2019 Direktorin des Bonner Kunstvereins.

Mayer streute dem "wahrscheinlich überraschenden Gesicht" an ihrer Seite Rosen: Sie sei eine international bestens vernetzte, unglaublich versierte, kreative und über die dicken Basaltmauern des Mumok-Baus hinausdenkende Führungspersönlichkeit. Die Bewerbungslage sei mit 24 Interessierten (17 weiblich, sieben männlich, 16 aus dem Ausland) an dem für fünf Jahre ausgeschriebenen Posten "außerordentlich gut" gewesen.

Video: Fatima Hellberg wird ab Oktober 2025 mumok-Generaldirektorin.
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Potenzial erkannt

Tatsächlich war das Interesse rein zahlenmäßig durchaus akzeptabel. Zumal die Ausschreibung, wie hierzulande im Umfeld von Bundesmuseen üblich, neuerlich nur in deutscher Sprache erfolgte. In den Tagen nach der Einreichungsfrist wurden dennoch einige Telefonate geführt. Das Fehlen bekannterer Namen mit internationaler Erfahrung dürfte für Irritation gesorgt haben. Ein Ergebnis, das wohl auch der mangelhaften Strahlkraft der im Vergleich zu einer Tate Modern, ja sogar zu einer Albertina nach außen eher verschnarcht wirkenden Institution geschuldet sein dürfte. Die Bilanz von Kraus ist denn auch durchwachsen: Zwei Schließungen zwecks Sanierungen in nur 14 Jahren, eine schwache Entwicklung der Besucherzahlen, das Fehlen eines Fokus. Überspitzt formuliert fehlt es dem Haus derzeit offenbar zu sehr an Profil, um als begehrte Wirkungsstätte zu locken. Jasper Sharp, Dieter Buchhardt oder Thomas Trummer hatten sich erst gar nicht beworben, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Das sagt nicht alles, aber doch einiges.

Hellberg hat das Potenzial des Hauses indes offenbar erkannt. In ihrer Karriere hat sie an großen Institutionen wie der Tate Modern in London kuratiert, aber auch gesehen, wie Künstler in einem "artist run space" arbeiten, wenn sie den Ort selber gestalten können. Interessant findet Hellberg, was so verschieden große Player in dem "Ökosystem" Kunst voneinander lernen können. Sie will auch mit anderen Institutionen in Wien zusammenarbeiten – dass es so viele von ihnen gibt, findet sie großartig.

Pragmatismus und Visionen

Hellberg trat am Donnerstag als diskursiv beschlagene und beredte Wahl auf. Dazu passen die drei konzeptuellen Linien, die sie sich gesetzt hat: Erstens will sie "Brücken bauen" und sieht das Museum – jenseits der "Intensität, Konzentration und Auseinandersetzung auf individuellerer Basis" – als partizipativen Raum und Mikrokosmos, in dem sich gesellschaftliche Aspekte widerspiegeln sollen. Sie will neue Verbindungen jenseits etablierter Pfade finden, und "wir sind in einem Moment, wo wir neue Narrative bauen können". Zweitens betont Hellberg unter dem Schlagwort "lifeness" das Zusammensein, das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit. Unter dem dritten Stichwort "hosting" will Hellberg ihren Gästen "Großzügigkeit, Offenheit und Wärme" entgegenbringen, sodass ein breites und diverses Publikum Zugang zum Ort und Austausch finde. Ein neues Wort, das in dem Zusammenhang zu lernen war: "produktive Dankbarkeit" dafür, dass Menschen sich entscheiden, dem Mumok ihre Aufmerksamkeit zu schenken.

Das könnte alles wie populäre Worthülsen klingen. Doch man glaubt es Hellberg, wenn sie energisch von einer "ganzheitlichen" Positionierung des Mumok, "Haltung", "ethischen Grundsätzen" spricht.

Schritt für Schritt

Wo hat da die Kunst Platz? Die "weltweit erstaunliche" Sammlung des Mumok "verankert" uns, sei der Kern der Pläne, sagt Hellberg. Wozu das ganz konkret führen wird, dazu war noch nichts zu erfahren. Erstaunlich findet Hellberg, dass es in der Sammlung die großen Namen gebe, aber zugleich sichtlich eine zeitgenössische Auseinandersetzung in sie eingeflossen sei, etwa in puncto Wiener Aktionismus. Wie sie weitersammeln will? Schritt für Schritt aus der existierenden Sammlung heraus eine Strategie und Richtung entwickeln. "Wo sind blinde Flecken? Wo gibt es neue mögliche Konstellationen?" Pragmatismus, Kreativität und Vision werden dabei alle eine Rolle spielen. Sammeln sei eine große Verantwortung, man schreibe damit Kunstgeschichte. In seiner historischen Dimension sieht sie den Unterschied des Museums zur benachbarten Kunsthalle. Michelle Cotton, deren im Sommer antretende Leiterin, kennt Hellberg.

Ihr zur Seite stehen wird als kaufmännische Leitung Cornelia Lamprechter, die damit in ihre dritte Funktionsperiode geht. "Mit ruhiger Hand" habe sie das Haus etwa durch Corona geführt, dankte ihr Mayer. Für ihren Posten hatte es zwölf Bewerbungen gegeben. Mayer wünscht sich von Hellberg "internationale Furore". Eine Entscheidung will sich Karola Kraus aber bis dahin nicht aus der Hand nehmen lassen: Die seit kurzem vakante Stelle des Chefkurators wird Kraus in den nächsten Wochen ganz allein nachbesetzen. "Das entscheide ich." (Michael Wurmitzer, Olga Kronsteiner, 11.4.2024)