Unternehmensprüfer Richard Fuhrmann (Nora Jacobs) muss sich Wirecard vornehmen.
Unternehmensprüfer Richard Fuhrmann (Nora Jacobs) muss sich Wirecard vornehmen.
Rajarshi Sarkar

Eine wahre Odyssee steht Unternehmensprüfer Richard Fuhrmann (Nora Jacobs) bevor: in Manila auf einen Treuhänder (Dionysus Opoku) treffen, der "Busy business"-Blabla von sich gibt und einen Hang zum Singen von Trashmusicalnummern hat; im Spa einen Zahlungsservicemanager (Xena Petrović) um Dokumente anbetteln, der sich beim Zurückpflaumen den Schweiß vom bunt aus der Hose hängenden Plastikpenis tupft; und das alles mit einem COO (Chief Operating Officer) der zu prüfenden Firma im Nacken, der im silbern glänzenden Cowboygewand herumläuft (Dolores Winkler) und beharrlich versucht, dem "Richie" das Du-Wort und den gemeinsamen Flug im Privatjet aufzudrängen.

Der COO heißt Jan Marsalek oder Marschalek, so sicher ist sich auch im Meidlinger Theater am Werk niemand, wo die (vor ein paar Jahren gecrashte und den heimischen Verfassungsschutz mit Marsalek immer noch befassende) Wirecard AG seit Donnerstagabend die Zelte ihres jährlichen Shareholdertreffens aufgeschlagen hat. Es ist ein Zoo der Exzentriker mit aufgemalten Bärten: Marsalek, der mit den Füßen im Plantschbecken seine Libyengeschäfte regelt, um mit Migranten an den Grenzen europäische Wahlen zu beeinflussen; Markus Braun (Stephanie Skrein) ist ein Guru mit hart deutsch klingendem Englisch, der in Yogaposen seine Socken auszieht und einen unendlich langen Rollkragenpulli trägt, in dem er sich verstecken kann, wenn es brenzlig wird.

Glamouröser Camp

Das Team der Uraufführung Wirecard: Last Exit Bad Vöslau (ein Projekt von Blind Date Collaboration, Text: Maria Muhar) hat in den Abend, der nur 80 Minuten dauert, aber mit bunten Videoeinspielungen und Gesangsnummern allmählich den Charme der Low-Budget-Produktion hinter sich lässt und immer weiter in glamourösen Camp hinüberwandert, viel Liebe für Details gesteckt: eine Kunstblutszene wie von Quentin Tarantino, die Vervielfachung Marsaleks (man denke an seine realen Identitätswechsel), ein von ihm performter Song gegen die Durchschnittlichkeit, die trockenen Würstchen beim Shareholderbuffet, die eigentlich schon Warnung genug vor dieser Firma sein sollten. Die krasse Story wird mit Irrwitz so richtig zum Schauwert aufpoliert. (Michael Wurmitzer, 12.4.2024)