"Unglaublich. Ich habe eine Mordsgaudi", entfährt es Johannes Anzengruber, als er Sonntagabend vom Ergebnis hört, dass er es in die Stichwahl geschafft hat. Die "Tiroler Tageszeitung" hatte Anzengrubers fröhliche Spontanreaktionen auf den Überraschungserfolg bei der Innsbrucker Bürgermeisterwahl notiert, der den Ex-ÖVP-Politiker nun in 14 Tagen, am 28. April, in die Stichwahl gegen den amtierenden Bürgermeister der Grünen, Georg Willi, bringt.

Beide liegen mit ihren Ergebnissen eng beisammen, wer die Nase vorn haben wird, wagt momentan niemand in Innsbruck zu prognostizieren. Doch wovor hängt es ab, wer als Erster durchs Ziel rennt?

Wer kann besser mobilisieren?

"In erster Linie von der Mobilisierung der Mitläufer", sagt Marcelo Jenny vom Institut für Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck. Das werde die Kernfrage sein. "Wie kann ich jene Wählerinnen und Wähler überhaupt motivieren, nochmals wählen zu gehen? Viele werden sich fragen, was soll ich da noch, wenn meine Kandidatin, mein Kandidat schon draußen ist. Willi und Anzengruber müssen jetzt einen Weg finden, diese Gruppen zu motivieren", sagt Jenny.

Viel werde von etwaigen Koalitionssignalen abhängen, die Anzengruber und Willi in den nächsten Tagen aussenden werden.

Hannes Anzengruber und Georg Willi nach dem ersten Durchgang der Innsbrucker Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl
Nach dem freundlichen Shakehands nach geschlagener Wahl wird's für Hannes Anzengruber und Georg Willi jetzt ernst: Nur einer der beiden kann künftiger Bürgermeister von Innsbruck werden.
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Der Schlüssel für die kommende Stichwahl sind nach Ansicht von Jennys Kollegen, des Innsbrucker Politologen Ferdinand Karlhofer, die Wahlempfehlungen der anderen Parteien. Von diesen werde es abhängen, wer letztlich als Erster durchs Ziel geht. Karlhofer rechnet damit, dass es in den nächsten Tagen zu harten Verhandlungsrunden kommen wird und die unterlegenen Parteien ihre Bedingungen für eine Wahlempfehlung für Willi oder Anzengruber auf den Tisch legen werden.

Zumindest der bei den Wahlen schwer gestrauchelte Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky hat am Montag bereits eine Wahlempfehlung für Anzengruber abgeben, dabei aber geschworen, dass es mit Anzengruber "keinen Deal" oder Abkommen über eine künftige koalitionäre Zusammenarbeit gegeben habe. Auch eine Wiedervereinigung Anzengrubers Liste "Jetzt Innsbruck" mit der auf zehn Prozent abgestürzten ÖVP sei kein Thema.

Wahlempfehlung gegen Posten und Ressort

Zumindest Tursky hat Anzengruber jetzt also im Boot. Aber das wird nicht reichen. Anzengruber und Willi müssen jetzt versuchen, Wählerinnen und Wähler der anderen Parteien in ihr Lager zu locken. Dabei würden vor allem die Verteilung der Macht im Gemeinderat, die Sitze im Stadtsenat, der Stadtregierung, eine Rolle spielen, sagt der Politologe Karlhofer.

Das Statut der Stadt, in der nach wie vor eine Proporzregelung im Stadtsenat vorherrscht, lasse auch zu, dass die Stadtratsposten – von derzeit sieben – auf neun erweitert werden könnten. Und das ergebe viel Spielraum bei den Verhandlungen mit der SPÖ, ÖVP und auch FPÖ. Es geht nicht nur um mögliche zusätzliche Stadtratsposten, sondern auch um eine neue Verteilung der Ressorts. Also heißt die Rechnung: eine Wahlempfehlung im Tausch für mehr Macht in der künftigen Innsbrucker Stadtregierung. Da werden sich beide Kandidaten noch sehr bewegen müssen, sagt Karlhofer. (Walter Müller, 15.4.2024)