Ein Fresko mit drei Personen, einer hält dem anderen einen Krug hin, ein junger Mann im Hintergrund hält eine Maske mit verzerrtem Gesicht.
Ein Wandbild einer Villa in Pompeji zeigt Satyrn beim Weingenuss.
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Im alten Rom wurde dem Wein ausgiebig zugesprochen, Schätzungen sprechen von bis zu einem Liter verdünntem Wein pro Tag. Über die Qualität gingen die Fachmeinungen aber auseinander. Aufgrund der verwendeten Zutaten und Materialien wurden Geschmacksnoten von Essig über Erdpech bis hin zu Salz oder auch dem aus dem griechischen Retsina bekannten Baumharz für wahrscheinlich angenommen. Römischer Wein schien eine ziemlich herbe Angelegenheit gewesen zu sein.

Doch eine dieses Jahr erschienene Studie kommt nun zu einem etwas anderen Ergebnis. Die in dem Fachjournal "Antiquity" erschienene Arbeit eines Weinforschers und einer Weinforscherin untersucht Parallelen der römischen Weinherstellung zu heute noch in Georgien üblichen Techniken. Dabei zeigt sich, dass da wie dort die verwendeten Tonbehälter eine wichtige Rolle spielten.

Traditionelle "Qvevri"

In Georgien werden traditionelle, hochwertige Weine in sogenannten Qvevri erzeugt. Dabei handelt es sich um in der Erde vergrabene Tongefäße, die Amphoren ähneln. Die Methode, die seit 2013 zum immateriellen Kulturerbe der Unesco zählt, ist seit Jahrtausenden üblich. Das heutige Georgien gilt als eine der Wiegen der Weinproduktion, hier wurden 8.000 Jahre alte Weinbehälter aus der Jungsteinzeit gefunden.

Anders als bei Stahltanks, die keinen Einfluss auf den Wein ausüben, lassen die Tongefäße einen gewissen Luftaustausch zu, der sich im Geschmack des Weins niederschlägt. In altrömischer Zeit gab es ganz ähnliche Gefäße. Dort hießen sie "Dolia".

Ein Keller mit Fliesenboden und zwölf Löchern darin, die teils mit Glasdeckeln verschlossen sind.
Georgische Qvevri in einem Weinkeller. Die damit verbundene Methode der Weinherstellung ist rund 8.000 Jahre alt.
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Die Herstellungsmethoden seien ebenfalls sehr ähnlich, heißt es in der Studie. Weil die Fermentation spontan geschieht und keine künstliche Hefe zugesetzt wird, kommt dem ersten Schritt besondere Bedeutung zu. Während der ersten neun bis 30 Tage wurden die römische Dolia offengelassen.

Danach wurde Traubenmost nachgefüllt, und die Gefäße wurden mit irdenen Deckeln, Holzplatten oder Leder verschlossen. Den Zeitpunkt richtig zu wählen dürfte schwierig gewesen sein, in der antiken Geschichtsschreibung sind geplatzte Gefäße durch zu viel Kohlendioxid erwähnt. Danach reifte der Wein fünf oder sechs Monate, bis die Gefäße während der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr geöffnet wurden. Auch in Georgien sind die Qvevri zwei oder drei Wochen lang offen, bevor sie verschlossen werden und sechs bis neun Monate geschlossen bleiben.

In Georgien ist die Wahl des Tons für die Produktion der Qvevri wichtig. Er soll reich an Mineralien sein, die sich im Aroma des Weins widerspiegeln. Analysen römischer Dolia zeigten, dass sie ebenfalls aus mineralienreichem Ton bestanden, der eine ähnliche Zusammensetzung wie aktuelle Qvevri aufweist.

Entscheidende Form

Die Önologin und der Önologe (nach dem Fachausdruck für Weinforschung, Önologie) schreiben in der Studie, dass auch die runde Form der Dolia eine wichtige Funktion hatte. Dadurch konnten sich natürliche Strömungen ausbilden, die beim Gären das Material durchmischen.

Entscheidend ist zudem die Größe, die darüber bestimmt, wie sehr das Erdreich den Wein kühlt. Aus römischer Zeit kennt man unzählige Größen zwischen 150 bis 2.000 Liter Fassungsvermögen. Bei Qvevri liegt die Temperatur rund um 20 Grad, mit einer Schwankungsbreite von einigen Grad, was bestimmte Geschmacksnoten begünstigt, die in der modernen Weinproduktion durch chemische Zusätze vermieden werden.

Durch die Verwendung von Pech zur Abdichtung kontrollierten die römischen Weinmacher zudem den Sauerstoffaustausch mit der Umgebung. Das erlaubte ihnen, die sogenannte malolaktische Gärung zu kontrollieren, bei der Apfelsäure abgebaut wird, wodurch der Wein milder wird.

Ein halb vergrabener Tonkrug.
In Pompeji wurden unzählige im Boden vergrabene Tongefäße gefunden, wie sie auch zur Herstellung und Lagerung von Wein verwendet wurden.
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Streitpunkt Farbe

Die Farbe antiker Weine ist umstritten. Der Geschichtsschreiber Plinius unterschied blassweiße, rötlich-gelbe, blutrote und schwarze Weine. In der modernen Weinherstellung bestimmt die "Mazeration" die Farbe des Weins. Damit ist das Extrahieren der Farbe der Schalen gemeint, die in den Wein gelangen.

In der römischen Geschichtsschreibung ist der Prozess nicht erwähnt, weshalb man davon ausging, dass römische Weine eher hell waren. Doch es gibt Anzeichen, dass ein Teil des "Tresters", der aus Rückständen von Schalen, Kernen und Stielen besteht und sich bei der Gärung absetzt, während der gesamten Reifung des Weins darin verblieb.

Bei traditionellen georgischen Weißweinen verbleiben die Schalen ebenfalls im Behälter, wodurch sie dunkler, fast orange werden. Das dürfte auch bei römischen Weinen der Fall gewesen sein und anders als bisher geglaubt für eine dunklere Färbung sprechen.

Bekannt von Bioweinen

All diese Eigenschaften – das spontane Vergären, das Lagern von Weißweinen in der Maische um sie zu Orange-Weinen zu machen – sind heute auch in unseren Breiten vor allem bei Bioweinen wieder im Kommen.

Erstautor Dimitri Van Limbergen von der Universität Verona betont, der römische Wein habe zu Unrecht einen schlechten Ruf. Gegenüber dem britischen "Telegraph" sagt er, aufgrund der bekannten Techniken sei anzunehmen, dass der Wein komplexe Aromen gehabt haben müsse, "von geröstetem Brot, getrockneten Früchten wie Marillen, gerösteten Nüssen wie Walnüssen oder Mandeln, grünem Tee, mit einem sehr trockenen und saftigen Mundgefühl aufgrund vieler Tannine aus den Schalen der Trauben".

Ungewohnt wäre ein solcher Geschmack allemal, aber wer Weinspezialitäten wie Orange-Naturweinen zugeneigt ist, hätte womöglich auch in römischer Zeit mit Weinen seine Freude gehabt. (Reinhard Kleindl, 20.4.2024)