Im Paradies sind die Gastgärten immer auf einer Wiese, beim Zieglerwirt in Stangersdorf auch. Und das Schnitzel ist vom Kalbsrücken
Severin Corti

In der Küche steht Matthias Schweinzger mit Seniorchef Siegfried, seinem Vater. Den Service schupfen seine Frau Barbara und Mutter Anna Maria. "Aber bitte vergessen’S ma die Mitarbeiter nicht, sowohl in der Küche wie im Saal", sagt Schweinzger jun., "die sind alle richtig großartig". Es spricht einiges dafür, dass es sich umgekehrt nicht anders darstellt.

Der Zieglerwirt in Stangersdorf, gleich bei der Autobahnabfahrt Lebring, südlich von Graz ideal für eine Rast auf dem Weg nach Triest oder Istrien gelegen, ist ein Wirtshaus wie aus dem Bilderbuch. Okay, es mag noch dauern, bis der Bau aus den 1980ern samt Fliesenboden und Eichendekor als "late century modern" gefeiert werden darf – ein gewisser Youngtimer-Charme wohnt dem stattlichen Bau aber auch jetzt schon inne. Vor allem aber hat er einen wunderbaren Garten, mit Tischen auf der Wiese (Schweinzger: „Da wird’s auch im Sommer nicht ganz so brüllend heiß wie auf Kies oder Asphalt“), mit einem Schupfen, an dem ein Spalierbaum blüht (Birne), mit Blick in die ländliche Idylle, an dem sich die vom Kolonnenverkehr gestielten Augen satt trinken können.

Der Zieglerwirt wird bis hinauf nach Graz für seine Schweinsmagerlsuppe gerühmt. Es gibt dem Vernehmen nach Spezialisten, die sich diese mild paprizierte und vorbildlich mollige Köstlichkeit wöchentlich einmal genehmigen müssen. Kann man verstehen: Ein Konzentrat sanfter Aromen und Konsistenzen, im Brotkorb wartet dazu eine Scheibe frischen Bauernbrots, ebenso klassisch mit Anis gewürzt, das wird von einem nahen Bauern gebacken.

Auch bei den anderen Speisen gilt: souveräner Verzicht auf kreative Pirouetten, elegante Unaufgeregtheit, gutbürgerliche Klassik im besten Sinn. Matthias Schweinzger ist ein intelligenter Koch, er weiß wohl, wie selten die Paarung aus Zurückgenommenheit und Qualität inzwischen geworden ist. Und zelebriert sie deshalb nach allen Regeln der Kunst.

Der gemischte Salat ist dafür ein schönes Beispiel: Eine Woge aus knackigen Blättern obenauf, natürlich mit Grazer Krauthäuptel, dem steirischen Klassiker, aber auch anderen Sorten. Vor Frische berstender, junger Spinat etwa, dem das Dressing – Kernöl und Apfelessig, was denn sonst – ganz hervorragend steht. Die Käferbohnen sind gerade so fest, dass sie ihr samtiges Inneres erst auf sanften Biss hin preisgeben, das Kraut ist zart, frühlingshaft, mit willigem Knack. Süße muss auch sein, dafür gibt es die rote Rübe, feinblättrig und nur ja nicht zu bissfest. Zum gebackenen Kalbskarree samt Butterreis muss man sich dieses Prachtstück von einem Gemischten extra bestellen. Lohnt sich. Und erst die Schnitzel! Nicht geklopft, weil aus dem Rücken geschnitten, unendlich zart und buttrig, gut einen Zentimeter dick, mit nichts als einem Hauch aus goldener Panier.

Natursaftl, klassisch wie rar

Gebackenes Kalbskarree mit Butterreis und gemischtem Salat
Severin Corti

Bei der Tagesempfehlung, den Kalbsbutterschnitzeln ist es nicht anders: Kommen selbstredend mit Erdäpfelpüree, weil alles andere absurd wäre, natürlich mit goldschimmerndem Natursaftl, weil Jus nur etwas für Franzosen ist. Aber, wahrer Luxus, auch mit dreierlei Gemüse: Buttrige Erbsen, ja eh, aber auch zart gekräuterte Karotten und, vor allem, eine Rose vom Karfiol, die einen ordentlichen Gupf richtig butterschmalziger Brösel verpasst bekommen hat. Gibt’s aber nur, wenn Sonntag ist!

Die Weinkarte ist ein Kompendium aus allem, was in der Steiermark richtig gut ist, dazu tolle Flaschen aus der Burgund, von der Mosel, aus der Wachau, dem Piemont, dem Burgenland. Natürlich will man das alles kosten, zu so kulanten Preisen noch dazu. Aber es ist halt noch ein Weg bis ans Ziel. Hat auch etwas Gutes: So geht sich der Traum von einer Kardinalschnitte noch aus, von dem kann man dann in Triest erzählen. (Severin Corti, 26.4.2024)

So zugänglich und doch so arg: Schweinsmagerlsuppe, der sanfte Einstieg in die Welt des Zieglerwirten
Severin Corti
Kalbsbutterschnitzel mit Erdäpfelpüree, Natursaftl und dreierlei Gemüse (auch Bröselkarfiol!)
Severin Corti
Kardinalschnitte mit Aussicht
Severin corti