Ein Schild mit der Aufschrift Asyl.
Rund um das Thema Wohnsitzauflage für Asylberechtigte ist ein Streit zwischen der Stadt Wien und der Bundesregierung entbrannt. SPÖ und Neos in Wien fordern zur Entlastung eine solche Maßnahme, ÖVP und Grüne sprechen sich – aus verschiedenen Gründen – dagegen aus.
APA / dpa / Uli Deck

Wien – Die ÖVP hat der Forderung der Stadt Wien nach einer Wohnsitzauflage für Flüchtlinge am Mittwoch erneut eine vehemente Absage erteilt. Es sei "Aufgabe von Wien, das Sozialsystem so herzurichten, dass nicht die Menschen wegen der Sozialleistungen nach Wien kommen, sondern wegen der Arbeitsplätze", sagte der türkise Generalsekretär Christian Stocker. Integrationsministerin Susanne Raab hatte das Wiener Ansinnen an die türkis-grüne Bundesregierung bereits am Dienstag abgeschmettert. Laut Stocker dürfe sich Wien nicht wundern, dass mehr Menschen nach Wien kommen, wenn die Stadt mehr zahle als die anderen Bundesländer. Die Botschaft dahinter: Wien soll die Mindestsicherung kürzen.

AMS-Chef Johannes Kopf hatte zuletzt vorgeschlagen, eine mögliche Wohnsitzauflage für Flüchtlinge an die Sozialhilfe zu koppeln: Asylberechtigte ohne Job sollen demnach nur in jenem Bundesland Sozialhilfe erhalten, in dem auch das Asylverfahren stattgefunden hat. Die ÖVP als Regierungspartei fühlt sich bei diesem Vorstoß nicht angesprochen, stellte Stocker klar. Es gehe hier um eine Vereinbarung zwischen den Bundesländern.

Aus anderen Gründen als denen der ÖVP spricht sich auch der grüne Koalitionspartner im Bund gegen die Forderung der Stadt Wien nach einer sogenannten Residenzpflicht für Asylberechtigte aus. Die grüne Wiener Parteivorsitzende Judith Pühringer brachte am Mittwoch vor allem rechtliche Argumente vor und bezeichnete den Vorstoß von SPÖ und Neos als "Fehlleistung auf allen Ebenen". Dieser Vorschlag sei "diskriminierend und menschenverachtend", weil er geflüchtete Menschen gegenüber österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern schlechterstelle. "Mit dem Vorschlag einer Wohnsitzauflage versuchen SPÖ und Neos nur, auf dem Rücken geflüchteter Menschen Druck auf die anderen Bundesländer zu machen. Das ist aber der falsche Weg“, sagte Pühringer. Stattdessen solle Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Verteilungsfrage die anderen Landeshauptleute in die Pflicht nehmen. Eine Verteilung über Quoten ist aktuell freilich nur bei Asylwerbern in Grundversorgung möglich. Nach einer Asylanerkennung sind diese Personen Österreicherinnen und Österreichern gleichgestellt und können sich in jedem Bundesland niederlassen. In der Praxis bedeutet das derzeit aber, dass sich ein überwiegender Teil der Asylberechtigten in Wien niederlässt.

Eine Übersicht über Asylanträge in Österreich.
Eine Übersicht über Asylanträge in Österreich.

SPÖ und Neos attackieren ÖVP

Die Neos attackierten hingegen die ÖVP: Es sei eine "unanständige, durchschaubare Taktik" zu behaupten, dass Wien an der aktuellen Situation selbst schuld sei, sagte der pinke Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr. Die anderen Bundesländer würden ihrer Verantwortung beim Thema Flüchtlinge nicht nachkommen. Wiederkehr erinnerte daran, dass vor allem durch den Familiennachzug mehr als 350 Schulkinder allein im April in den Wiener Pflichtschulen dazugekommen sind.

Neben der Wohnsitzauflage würden die Neos auch für eine Vereinheitlichung bei den Sozialleistungen und auch den Integrationsangeboten in Österreich eintreten, zumindest brauche es "ähnliche Systeme". Eine Senkung der Mindestsicherung in Wien ist kein Thema, sagte Wiederkehr: "Es kann nicht das Ziel sein, dass alle so weit nach unten gehen, dass die Menschen obdachlos und kriminell werden."

Die Asylsprecherin der Neos im Parlament, Stephanie Krisper, verwies darauf, dass die Stadt Wien mittlerweile 43 Prozent aller Personen in Grundversorgung in Österreich betreue und als einziges Bundesland die Quote mit nunmehr 198 Prozent übererfülle. Zudem würden 81 Prozent aller subsidiär Schutzberechtigten in Wien leben. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) müsse den säumigen Bundesländern endlich "auf die Zehen steigen" und eine gerechtere Verteilung ermöglichen, forderte Krisper. Hier brauche es auch Strafzahlungen – die es bislang nicht gibt. Krisper kündigte einen Antrag im Parlament an, wonach die Regierung die Integrationsmaßnahmen bundesweit verstärken müsse, um eine gerechtere Verteilung zu ermöglichen.

Konsequenzen bei Sozialleistungen in Wien möglich

Die SPÖ erneuerte am Mittwoch den Vorwurf ans ÖVP-geführte Innenministerium, wonach die Stadt Wien bei den Herausforderungen im Bereich Flüchtlinge im Stich gelassen werde. "Jeder Antrag auf Familiennachzug wird durch das schwarze Innenministerium bestätigt, trotzdem wurde Wien immer über die Nachzugszahlen im Dunkeln gelassen", sagte etwa der rote Integrationssprecher Christian Oxonitsch. Der Wiener SPÖ-Klubvorsitzende Josef Taucher forderte ein "gesamtösterreichisches Engagement in der Asylfrage". Taucher stellte auch in Aussicht, dass Sozialleistungen in Wien geändert werden könnten, falls sich Flüchtlinge nicht an Regeln halten. "Sollten sich Asylberechtigte nicht an diese halten und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, so werden wir konsequent handeln und die Sozialleistungen anpassen." (David Krutzler, 25.4.2024)