Tiktok Beauty Filter
Viele Social-Media-Userinnen erzählen, dass durch Schönheitsfilter das eigene Selbstbewusstsein reduziert wurde.
@lookwhoshira/Tiktok

Die Hundenase, die Comic-Krone, der Sonnenuntergang in unrealistisch übersteuerten Farben: In den Anfangsjahren von Social Media dienten Fotofilter hauptsächlich der Unterhaltung und taugten selten dazu, anderen Usern eine verzerrte Realität vorzugaukeln. Das hat sich im Lauf der Jahre geändert, wie es nun in einem Artikel von Business Insider heißt: Demnach ist die Technologie der Fotofilter so weit fortgeschritten, dass ein unbearbeitetes Bild von einem manipulierten kaum noch zu unterscheiden ist. Das schafft eine verzerrte Wahrnehmung von dem, was normal ist – und führt vor allem bei jungen Menschen zu einem regelrechten Boom bei Schönheitsoperationen.

Mehr Schönheits-OPs

Demnach befinden sich nichtinvasive Eingriffe wie Lippenfüllungen oder Botox-Spritzen auf einem Allzeithoch, in den USA ist die Anzahl der kosmetischen Gesichtsoperationen von 2019 bis 2022 um 18 Prozent gestiegen, die Zahl der Botox-Einspritzungen stieg im gleichen Zeitraum um 73 Prozent.

Zitiert wird in dem Artikel eine Umfrage der American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery aus dem Jahr 2022, laut der die Nachfrage vor allem von der Generation Z getrieben wird: 75 Prozent der Schönheitschirurgen berichten, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten unter 30 Jahren gestiegen sei. Als primäres Ziel nennen die Patientinnen, auf Selfies besser auszusehen.

Vorher-nachher-Bild einer Schönheits-OP
Viele Influencerinnen dokumentieren ihre Schönheits-OPs oder zeigen Botox-Spritzen als Teil ihres Alltags. Das nimmt der Thematik das Stigma.
Getty Images/iStockphoto

Unrealistische Erwartungen

Im Jahr 2020 ergab eine Studie der City University of London, dass 90 Prozent der Frauen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren Social-Media-Filter einsetzen, um ihr Aussehen auf Selfies zu verbessern.

Dass die intensive Nutzung von Social Media wiederum zu psychischen Problemen führen kann, ist ebenfalls bereits länger bekannt: bereits 2018 zeigte eine Studie, dass Mädchen Unzufriedenheit mit ihrem eigenen Körper bis hin zu Depressionen entwickeln, je mehr Zeit sie auf Social Media verbringen. Reduzierten sie wiederum ihre Nutzung von Social Media um 50 Prozent, so nahmen sie nach wenigen Wochen ihren eigenen Körper positiver wahr, so eine Studie der American Psychological Association im Jahr 2023.

Auch auf Social Media weisen Ärztinnen und Pädagogen immer wieder auf die Nachteile von Filtern hin. "Es ist wie eine Epidemie – jeder sieht gleich aus auf Social Media", erklärt etwa eine britische Ärztin auf Tiktok. Die Chirurgin weist darauf hin, dass hier eine Generation erzogen wurde, für die plastische Chirurgie etwas völlig Normales ist, nur um "dazuzugehören". Man müsse aufhören, Filter auf Social Media zu nutzen, um dieses verrückte Schönheitsideal nicht salonfähig zu machen.

Mehr Onlinezeit

Viele junge Menschen wissen, dass die auf Social Media veröffentlichten Bilder oft nicht der Realität entsprechen, aber dennoch vergleichen sie sich damit. Und es wird mehr Zeit online verbracht, auch bedingt durch den Homeoffice-Boom: Nicht nur, dass das eigene Gesicht in Selfies gepostet wird, auch in diversen Onlinemeetings ist dieses deutlich präsenter als früher. Damit wandelt sich auch, was als Statussymbol gesehen wird – waren es früher physische Objekte wie Autos oder Handtaschen, die in der realen Welt präsentiert wurden, so ist es nun das eigene Gesicht, das in jedem Zoom-Call präsentiert wird.

Vor allem der Boom durch diverse Influencer, die das Prozedere der Eingriffe offen dokumentieren, von den ersten Beratungsgesprächen bis zum finalen Ergebnis, würde signalisieren, dass es völlig in Ordnung sei, sich regelmäßig unter das Messer zu legen. Man muss nicht lange suchen, um Beiträge zu finden, in denen Botox-Spritzen als Teil des Alltags kommuniziert werden, so wie das Füttern des Hundes oder der Besuch im Fitnesscenter.

Einer Studie von 2022 zufolge unterziehen sich Menschen eher einer Schönheits-OP, wenn sie Filter nutzen. Ebenso steigt diese Wahrscheinlichkeit bei Menschen, die einer Influencerin folgen, welche selbst derartige Eingriffe vornehmen lässt. Anne-Mette Hermans, eine der Co-Autorinnen der Studie, betont, dass dies dadurch "mehr und mehr normalisiert werde" und das ein großes Problem sei.

In dem Bericht nicht erwähnt werden jene Filter, die ohnehin schon in fast jeder Smartphone-Software integriert und teilweise sogar standardmäßig aktiviert sind. Da wird die Haut reiner und Falten werden unsichtbar. Hinzu kommen natürlich diverse Verschönerungs-Apps wie YouCam Makeup oder Everlook, bei denen man sich mit wenigen Handgriffen dem angeblichen Schönheitsideal noch mehr annähern kann.

Selbsthilfe

"Ich habe gerne Filter benutzt, weil ich damit richtig cool ausgesehen habe", erklären viele Social-Media-Userinnen, die sich selbst mittlerweile gegen diesen Trend stellen. Immer wieder wird berichtet, dass man sich danach mit seinem "echten Gesicht" gar nicht mehr in den Spiegel schauen wollte. Das würde das Selbstvertrauen massiv belasten, so der Tenor. Mut zur Selbsthilfe wird deshalb immer häufiger propagiert. Meist im Vermeiden von Filtern und dem Entfolgen von jenen Menschen, die solche Schönheitsoperationen als Notwendigkeit für alle sehen. (stm, aam, 4.5.2024)