Als die Grünen 2020 Teil der Regierung wurden, klangen die Versprechen im gemeinsamen Koalitionspakt mit der ÖVP groß: Österreich solle bis 2040 klimaneutral werden. Den Weg dorthin sollten eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, eine Ökosteuerreform und ein massiver Ausbau der Erneuerbaren ebnen. Was würde die Partei anders machen, sollte sie auch an der nächsten Regierung beteiligt sein? Welche Versäumnisse gab es in den vergangenen Jahren? Das hat DER STANDARD den grünen Klimasprecher Lukas Hammer in diesem Serienteil zu Klima im Wahlkampf gefragt.

Den Serienteil zur Klimapolitik der FPÖ finden Sie hier, jenen zum Programm der Neos hier und den Artikel zu den klimapolitischen Plänen der SPÖ können Sie hier nachlesen.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Vizekanzler Werner Kogler.
Zu den Erfolgen der Grünen innerhalb der Koalition zählen der CO2-Preis und das Klimaticket.
APA/FLORIAN WIESER

Das Gesamtfazit der Grünen über ihre eigene Regierungsbeteiligung fällt – wenig überraschend – weitgehend positiv aus. Man habe vor allem mehr Geld rausgeschlagen, für Erneuerbare, für Öffis und für den Radverkehr, betont Hammer. "Wir haben als 14-Prozent-Partei in einem sehr schwierigen Umfeld mit einem noch schwierigeren Partner sehr, sehr viel auf die Beine gebracht."

Einige Projekte seien nicht gut vermarktet gewesen, bilanziert der Abgeordnete: So seien mehrere Gesetze, die wichtig für den Klimaschutz sind, verabschiedet worden, aber eben nicht das eine, das den Namen "Klimaschutzgesetz" trägt. Am Fehlen von diesem würden sie nun gemessen werden. Zur Erinnerung: Der Entwurf für die Novelle ist seit Jahren fertig, bisher gelang jedoch noch keine Einigung mit der ÖVP. "Dass es bis jetzt blockiert wird, finde ich natürlich ärgerlich", sagt der Abgeordnete. "Mir hat der politische Wille beim Koalitionspartner gefehlt."

Auch darüber hinaus gibt es vonseiten der Grünen wenig Lob für die klimapolitischen Ambitionen der übrigen Parteien: "Ich habe sehr oft feststellen müssen, dass, wenn es ernst wird, wir allein dastehen", sagt Hammer. Als Beispiel nennt er das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Das Gesetz war fast fertig verhandelt und wurde aber in letzter Minute aufgeweicht. Der Entwurf sei "letztlich auch an der SPÖ gescheitert". Übrig blieb ein verwässerter Kompromiss, der es Eigentümern weiterhin ermöglicht, eine kaputte Ölheizung beispielsweise wieder durch eine Ölheizung zu ersetzen.

Klimasprecher der Grünen Lukas Hammer bei einer Nationalratssitzung.
Dem grünen Klimasprecher Lukas Hammer hat bei der ÖVP der politische Wille bei Klimathemen gefehlt.
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Sollten die Grünen auch an der nächsten Regierung beteiligt sein, wollen sie an einem Aus für fossile Heizungen festhalten. "Wenn wir das jetzt einführen, dann müssten de facto keine funktionierenden Heizungen rausgerissen werden", argumentiert Hammer. Ihm wäre ein differenzierterer Ansatz lieber: ein Gebot mit ein bisschen weniger Förderaufwand. Durch das derzeitige System werden die Kosten für Heizsysteme in manchen Bundesländern bis zu 100 Prozent übernommen – auch bei hohem Einkommen.

Woraus auch nichts wurde, ist die Ökologisierung der Pendlerpauschale. Sie wurde, obwohl eigentlich im Koalitionsabkommen vereinbart, zum Streitpunkt zwischen den Regierungspartnern. "Wir haben mit der Pendlerpauschale einen falschen Anreiz gesetzt, der Fakten geschaffen hat", sagt Hammer. Ein ähnliches Problem sieht er bei der Förderung von Dienstwagen, die zur privaten Nutzung ausgegeben werden. Jene Zuckerln für Autofahrerinnen nun zurückzuziehen sei schwierig. Wichtig sei, das Pendeln mit den Öffis und das Fahrradfahren zu attraktiveren, anstatt die Zersiedelung zu fördern.

"Illusorische" Diskussion über E-Fuels

Während die Grünen in ihrem Wahlprogramm 2019 noch forderten, dass ab 2030 keine fossil angetriebenen Pkws mehr neu zugelassen werden, sieht man das heute anders: Die von der EU auf 2035 gesetzte Frist sei ausreichend. Anders als die ÖVP halten die Grünen die Debatte über E-Fuels für "vollkommen illusorisch". Ein sogenannter "grüner Verbrenner" verbrauche laut Hammer im Vergleich zum E-Auto fünfmal mehr Primärenergie für die gleiche Kilometerleistung. "Ich halte die Debatte für ein gefährliches, teures Märchen, um das derzeitige fossile System so lange wie möglich am Leben zu halten." Die Grünen würden den Verbrennungsmotor nicht generell verbieten wollen – auf manche Anwendungen, etwa im Schwerlastbereich, könne man nicht verzichten.

Sollten die Grünen noch einmal regieren, wollen sie eine Temporeduktion auf den Verhandlungstisch legen. Konkret fordert Hammer Tempo 100 auf Autobahnen und Tempo 90 auf Freilandstraßen. Gibt es zwischen zwei Ortschaften keine Radwege, sollen auch hier nur maximal 80 km/h erlaubt sein. "Es gibt kein vernünftiges Argument gegen Geschwindigkeitsreduktionen", sagt der Abgeordnete. Damit orientiert sich die Partei mitunter auch den Empfehlungen des Klimarats, der sich für ähnliche Limits ausgesprochen hat. Innerhalb der Bevölkerung ist der Vorstoß hingegen nicht mehrheitsfähig, wie Umfragen regelmäßig verdeutlichen.

Und auch der CO2-Preis soll aus Sicht der Grünen bleiben und bei Einführung der EU-weiten CO2-Bepreisung mit dieser kombiniert werden. Den bisherigen Preisanstieg von 30 Euro je Tonne CO2 auf heute 45 Euro hält Hammer für sinnvoll. Es brauche jedenfalls weiterhin eine Rückvergütung an Haushalte.

Keine Gratis-Öffis für alle

Generell soll der Öffi-Verkehr weiter ausgebaut werden, die starke Nachfrage nach dem Klimaticket zeige, dass das Angebot angenommen werde, heißt es bei den Grünen. Gratis-Öffis für alle, wie es sie etwa in Luxemburg gibt, kann sich der Abgeordnete nicht vorstellen. Denkbar wäre für ihn hingegen ein soziales Klimaticket, das entsprechend günstiger ist. Hier würden aber oft die notwendigen Daten fehlen, um ein solches System zu implementieren.

Zum Thema Klimakleber spricht sich Hammer gegen härtere Strafen aus. "Unsere Demokratie hält den Protest aus, unabhängig davon, dass ich den Protest für nicht zielführend halte." Er hätte jedenfalls mehr Respekt vor Menschen, die sich persönlich den Gefahren und Geldstrafen aussetzen, die der Protest mit sich bringe, als vor für jene, "die Klimaschutz blockieren und noch härtere Strafen fordern". Zuletzt haben FPÖ und ÖVP für härtere Strafen plädiert.

Was würden die Grünen anders machen, sollten sie noch einmal regieren? "Ich habe gemerkt, dass viele Vereinbarungen nicht viel wert sind", sagt Hammer. Bei Entschließungsanträgen würde ihm die Handschlagqualität fehlen, weswegen er mehr auf konkrete Gesetze setzen würde. Gemeint ist damit wohl unter anderem ein gemeinsamer Antrag von ÖVP und Grünen zu den Forderungen des Klimavolksbegehrens, von dem nur ein Bruchteil auch umgesetzt wurde.

Im Wahlkampf soll das Klimathema jedenfalls weiterhin Priorität haben. Wobei die Partei dabei wohl viel von dem einstecken wird müssen, was sie innerhalb der Koalition nicht durchsetzen konnte. "Es ist unsere Aufgabe, aufzuzeigen, dass es Klimaschutz nur mit den Grünen gibt", sagt Hammer. Themen sollen etwa der weitere Ausbau von Erneuerbaren sein, der notwendig sein wird, um den steigenden Strombedarf zu decken; aber auch der Ausstieg aus russischem Gas. (Nora Laufer, 11.5.2024)