Polens Premier Donald Tusk (3.v.l.) stellte am Montag dem Staatspräsidenten Andrzej Duda (3.v.r) die neuen Regierungsmitglieder vor.
Polens Premier Donald Tusk (3. v. li.) stellte am Montag dem Staatspräsidenten Andrzej Duda (3. v. re.) die neuen Regierungsmitglieder vor.
EPA/Leszek Szymanski

Nächste Etappe für die liberale Regierung in Polen: Knapp einen Monat vor der Wahl zum Europäischen Parlament hat Premierminister Donald Tusk gleich vier Regierungsmitglieder ausgetauscht. Am Montag wurden die Neuen von Präsident Andrzej Duda angelobt.

Anlass für die umfangreiche Rochade: Die bisherigen Minister für Inneres (Marcin Kierwiński), Kultur (Bartłomiej Sienkiewicz), Staatsbeteiligungen (Borys Budka) und Technologie (Krzysztof Hetman) kandidieren allesamt bei der EU-Wahl – der Letztgenannte stammt aus der christlich-konservativen Partei Dritter Weg, die anderen aus Tusks liberaler Bürgerkoalition (KO). Allerdings, so wenigstens erklärte es Tusk Ende voriger Woche, soll die Regierungsumbildung auch Teil einer neuen Phase bei der Reform zentraler Institutionen des Landes sein.

Hintergrund: Bei der Parlamentswahl im vergangenen Oktober wurde die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die acht Jahre lang regiert hatte, abgewählt. Zwar blieb die PiS stimmenstärkste Partei, doch Tusk konnte mit seiner Bürgerkoalition, dem Dritten Weg und den Linken (Lewica) ein breites Regierungsbündnis zimmern – ganz so, wie er es bereits vor der Wahl angekündigt hatte.

Rechtliches Minenfeld

Der Machtwechsel sollte sich jedoch schwierig gestalten. Immer wieder beklagte die neue Regierung juristische Stolpersteine, die die PiS ihr hinterlassen habe. Diese hatte das EU-Mitglied Polen in wesentlichen Fragen auf Konfrontationskurs mit Brüssel gebracht, die Justiz in ihrem Sinne politisiert und die öffentlich-rechtlichen Medien zu Propagandasprachrohren der Regierung umfunktioniert. Die Regierung Tusk wiederum, die seit Dezember im Amt ist, stand vom ersten Tag an vor der Aufgabe, Gerichte, Medien und zahlreiche Gremien aus dem Machtbereich der PiS zu holen, ohne dabei selbst geltendes Recht zu verletzen.

"Diese ersten Monate waren Monate des Niederreißens einer Mauer", erklärte Tusk nun im Zusammenhang mit der aktuellen Regierungsumbildung. "Jetzt ist die Zeit des Aufräumens. Darum haben wir gemeinsam beschlossen, diese Änderungen vorzunehmen."

Was Tusk mit dem "Niederreißen einer Mauer" meinte, wird wohl am besten anhand der Neubesetzung im Kulturministerium deutlich: Dem scheidenden Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz kam die schwierige Aufgabe zu, die öffentlich-rechtlichen Medien wieder zu Einrichtungen zu machen, die ihrem Auftrag gerecht werden. "Die Wähler hätten es nicht verstanden, wenn die antideutsche und antieuropäische Propaganda dort tagtäglich fortgesetzt worden wäre", sagte etwa Unterstaatssekretär Marek Prawda, der im polnischen Außenministerium unter anderem für die politischen Beziehungen in Europa zuständig ist, kürzlich im Gespräch mit dem STANDARD.

Als Präsident Andrzej Duda, der der abgewählten PiS nahesteht, die weitere Finanzierung für die staatlichen Sender jedoch blockierte, nützte Sienkiewicz als Kulturminister die Gelegenheit und leitete die formale Liquidierung von TVP und Polskie Radio ein. Das wiederum wurde dann zur rechtlichen Grundlage für den Neuaufbau der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten – ganz im Sinne von Tusk, der nun mit Blick auf die scheidenden Regierungsmitglieder erklärte: "Ich habe von diesen Ministern erwartet, dass sie effektiv und manchmal auch hart handeln."

Geheimdienstkoordinator als Innenminister

Nachfolgerin von Sienkiewicz an der Spitze des Kulturministeriums wurde nun die angesehene Kunsthistorikerin Hanna Wróblewska. Mehr als zehn Jahre lang war Wróblewska Direktorin der Nationalen Kunstgalerie Zachęta, ebenso lang war sie als Kommissarin verantwortlich für den polnischen Pavillon bei der Biennale in Venedig. In der Fachöffentlichkeit wurde ihre Ernennung überwiegend positiv aufgenommen.

Neuer Innenminister wird der bisherige Geheimdienstkoordinator Tomasz Siemoniak. In einer früheren Regierung von Donald Tusk – und dann noch unter dessen Nachfolgerin Ewa Kopacz – war er von 2011 bis 2015 bereits Verteidigungsminister. Vor allem mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine soll er nun seine sicherheitspolitische Expertise ins Kabinett einbringen.

Neuer Minister für Staatsbeteiligungen wird der ehemalige Staatssekretär Jakub Jaworowski, ein Wirtschafstwissenschafter und Vertrauter von Donald Tusk. Als neuer Minister für Entwicklung und Technologie schließlich rückt Krzysztof Paszyk in die Regierung nach. Er ist Klubchef der Bauernpartei PSL, die ihrerseits Teil des mitregierenden Bündnisses Dritter Weg ist. (Gerald Schubert, 13.5.2024)