Jacob Zuma ist wieder da.
AFP/PHILL MAGAKOE

Das Motto seiner unzerstörbaren politischen Karriere bekam Südafrikas Ex-Präsident Jacob Zuma geradezu in die Wiege gelegt. Sein Vater, ein Polizist, gab ihm den Zweitnamen Gedleyihlekisa. Das bedeutet auf Zulu so viel wie: "Ich werde mich wehren, wenn man mich lächelnd hintergeht."

Der Satz könnte 82 Jahre später das Selbstbild Zumas als Serienopfer politischer Verschwörungen nicht besser beschreiben. Im greisen Alter errichtet der korrupte Politiker einen ganzen Wahlkampf auf diesem Fundament. Und das gegen die Partei, die ihm während seiner Präsidentschaft (2009 bis 2018) die systematische Plünderung der Staatskassen ermöglichte – und sich teils daran beteiligte: der African National Congress (ANC).

Der Regierungspartei will er bei den Wahlen am 29. Mai Millionen Stimmen streitig machen, nachdem er schon den Namen des bewaffneten ANC-Guerilla-Flügels aus Zeiten des Befreiungskampfes geklaut hat: "uMkhonto weSizwe", kurz MK, heißt seine neue Partei. Zumas Botschaft ist klar: Der korrupteste Präsident in Südafrikas Geschichte inszeniert sich als Repräsentant der wahren ANC-Werte.

Absolute in Gefahr

Der "Speer der Nation", so die Übersetzung, könnte laut Umfragen auf acht Prozent kommen – und dazu beitragen, dass der auf allen Ebenen versagende ANC voraussichtlich erstmals die absolute Mehrheit verfehlen wird. Während der Präsidentschaften von Nelson Mandela und dessen Nachfolger Thabo Mbeki dominierte das Volk der Xhosa die Regierung. Hätte Zumas Aufstieg an die ANC-Spitze im Jahr 2007 nicht die Zahl der Zulu-Wähler massiv erhöht, hätte die Partei wohl schon damals massivere Verluste hinnehmen müssen. Die gibt es nun gerade in Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal, wo sich die Wähler in Scharen vom ANC abwenden – und zu Zuma überlaufen.

Daran wird auch der Umstand nichts ändern, dass Zumas landesweit bekanntes Grinsen als MK-Spitzenkandidat zwar auf den Wahlzetteln abgebildet sein wird, er aber nicht ins Parlament einziehen darf. Das entschied am Montag das Verfassungsgericht. Zumas Anwälte hatten vergeblich gegen ein eindeutiges Gesetz argumentiert: Straftäter, die zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wurden, dürfen fünf Jahre lang nicht für das Parlament kandidieren. Zuma aber wurde vor drei Jahren zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er vor einer Kommission nicht gegen seine Handlanger aussagen wollte.

Unrealistisches Versprechen

Entgegen früherer Drohungen sah die MK-Spitze bislang von Aufrufen zur Gewalt ab – ein durchaus realistisches Szenario, nachdem im Zuge von Zumas Verhaftung im Jahr 2021 die halbe Innenstadt von Durban verwüstet wurde. Ungerührt verspricht der Strippenzieher seinen Anhängern die natürlich völlig unrealistische Zweidrittelmehrheit, mit der man solch lästige Paragrafen flugs ändern könnte – inklusive der Beschränkung des Präsidentenamts auf maximal zwei Amtszeiten, die seine ohnehin ausgeschlossene Rückkehr an die Spitze des Staates auch in der Theorie verhindert.

Der Name Zuma wird allerdings zweifellos im Parlament vertreten sein. Auf der Parteiliste findet man eine seiner Töchter – handverlesen vom Patriarchen der Nation. Transparente Kriterien für die Nominierung oder zumindest eine zentrale Versammlung seiner Mitglieder hatte die erst vor einem halben Jahr registrierte Partei nie.

Zuma wird also von seinem Alterssitz im Dorf Nkandla späte Rache am aktuellen Präsidenten Cyril Ramaphosa üben, der Südafrikas Staatsverfall zwar nicht aufhielt, aber bei aller Führungsschwäche immerhin das desaströse Zuma-Lager im ANC kleinhielt. Ramaphosa werde von "weißem Monopolkapital" finanziert, behauptet der Ex-Präsident, was durchaus vertraut klingt.

Intrige um Intrige

Seine Korruptionsanklage wegen Waffengeschäften um das Jahr 2000? Eine politische Intrige, so Zuma. Die Anklage wegen der Vergewaltigung einer HIV-positiven Frau einige Jahre später? Intrige. Der steuerfinanzierte Ausbau seiner Privatresidenz, die Unterhöhlung der Institutionen zur Vertuschung versickernder Milliarden? Noch so eine Verschwörung gegen den selbsterklärten Vorkämpfer der Ausgegrenzten. Selbst eine seiner vier Frauen habe ihn vergiftet, behauptete er, nachdem sie "mit einem ausländischen Agenten" in Kontakt gewesen sei. Die Ermittlungen wurden später klammheimlich eingestellt, mangels Beweisen.

Es ist jedenfalls das spektakulärste politische Comeback in diesem Jahr neben dem von Donald Trump, der bei der US-Präsidentenwahl im November gute Siegeschancen hat. Beide vereint neben dem Wärmen so mancher Gerichtsbank die populistisch-nationalistische Strategie: die Zielgruppe der vermeintlich Marginalisierten, der Personenkult, der Kampf gegen das "System", die politische Einbindung seiner Kinder, die gesellschaftliche Zersetzung – und natürlich die Opferrolle.

Auftritte abgesagt

Ähnlich wie Trump erweist sich der musikalisch talentierte Zuma als Unterhalter auf Wahlkampfbühnen, wenngleich er schon einige Auftritte absagen musste – seine Gesundheit kriselt, auch nachdem sich der Putin-Freund in einem russischen Krankenhaus aufpäppeln ließ. Schon zu ANC-Zeiten ging es im Wahlkampf mindestens so sehr um Identität wie um politische Parolen.

Das gilt besonders für seine Kernwähler der größten ethnischen Gruppe Südafrikas, der Zulus. Zuma tritt bisweilen in traditionellen Gewändern auf, sicherte sich die Loyalität der Chiefs und Religionsführer mit staatlicher Ressourcenzuteilung. Sie werden auch im MK-Parteiprogramm bedacht: mit dem Versprechen zusätzlicher Befugnisse und staatlicher Mittel. Da hat einer sein bestens bewährtes Drehbuch der Macht entstaubt. (Christian Putsch, 27.5.2024)