Dort, wo die U2 in Wien-Donaustadt kurz vor der Station Hausfeldstraße einen Knick macht, liegt das Hausfeld. Aktuell ist es noch weitgehend unbebaut, erste Projekte wurden aber bereits gestartet, derzeit finden Erdarbeiten statt. Rund 3800 Wohneinheiten sollen hier entstehen, ein gutes Drittel davon von Bauträger Kallco Development.

Die Baustelle für die ersten Wohnbauten im Wiener Stadtentwicklungsgebiet Oberes Hausfeld.
Seit kurzem wird am Oberen Hausfeld bereits gebaut.
Putschögl

Zwei U-Bahnen, Straßenbahn, Busse

Am nördlichen Ende des Projektgebiets befindet sich die U2-Station Hausfeldstraße, Richtung Aspernstraße wird außerdem gerade die neue U-Bahn-Station mit dem Projektnamen "Oberes Hausfeld" (früher „An den alten Schanzen“) fertiggebaut. Das Hausfeld wird also, wenn es fertig ist, von zwei U-Bahn-Stationen begrenzt, im Norden gibt es außerdem die Straßenbahnlinie 26, die hier bei der Station Hausfeldstraße ihre Endstation hat. Und einige Buslinien führen bereits jetzt direkt am Hausfeld vorbei und sollen das Gebiet später auch queren. Darüber hinaus kreuzt die umstrittene Stadtstraße das Projektgebiet von Osten kommend bis etwa zur Hälfte, dann verschwindet sie in einem Tunnel. Sie sollte bis 2026 fertiggestellt sein.

Und dennoch darf ein Teil des Gesamtprojekts Hausfeld – etwa 20 Prozent – erst besiedelt werden, wenn die S1-Spange Seestadt, also die Verlängerung der Stadtstraße, und die "S1 Wiener Außenring Schnellstraße Knoten Schwechat bis Knoten Süßenbrunn" fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben wurde. Hinter Letzterem verbirgt sich nichts Geringeres als der noch viel umstrittenere Lobautunnel.

Projektänderung wird vorgeschlagen

Diese Bedingung wurde im September 2023 vonseiten der Wiener Landesregierung als UVP-Genehmigungsbescheid erlassen. Doch sie bringt nicht nur Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen auf die Barrikaden, sondern auch so manchen Bauträger.

Stefan Eisinger-Sewald ist der Geschäftsführer des erwähnten Bauträgers Kallco. Er trat am Mittwoch gemeinsam mit Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus und Heinz Mutzek von der Bürgerinitiative BürgerInnen Netzwerk Verkehrsregion Wien Niederösterreich (BNWN) vor die Medien, um sein Unverständnis über diese Entscheidungen kundzutun und um gleichzeitig bekanntzugeben, dass man diese Auflage bekämpfen werde. In den vergangenen Monaten wurde von den dreien eine Projektänderung erarbeitet, die am gestrigen Dienstag nun auch eingereicht wurde. "Und wir gehen davon aus, dass unserem Änderungsantrag stattgegeben wird", sagte Rehm.

"Wohnbau als Geisel"

Das Hausfeld sei mit den erwähnten öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend erschlossen, darauf wies Eisinger-Sewald hin, außerdem sei es als autofreier Stadtteil geplant, und die meisten Häuser würden zudem energetisch autark sein. Deshalb gebe es "keine Notwendigkeit, unsere dritte Bauphase mit den übergeordneten Straßenprojekten zu verknüpfen". Noch dazu, wo die dritte Bauphase genau jene sei, die sich zur bereits in Betrieb befindlichen U-Bahn-Station Hausfeldstraße am nächsten befindet.

Wolfgang Rehm ging noch einen Schritt weiter und sprach davon, dass hier wohl versucht werde, "den Wohnbau zur Durchsetzung gewünschter Straßenbauprojekte zu instrumentalisieren", wörtlich: als "Geisel für den Straßenbau". Das sei grundsätzlich zwar schon länger bemerkbar, sagte der streitbare Virus-Obmann, der seit vielen Jahren in UVP-Verfahren Partei ergreift – mehr als 50 davon hat er laut eigenen Angaben schon mitgemacht. "Seit 2016 war erkennbar, dass Wohnbau seitens der Wiener Stadtregierung als Durchsetzungsinstrument für gewünschte Straßenbauprojekte eingesetzt werden soll", sagte er am Mittwoch.

"Bescheide sind änderbar"

2021 sei das dann in der "beispiellosen Kampagne" von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kulminiert, als es hieß, am Bau der Stadtstraße würden Wohnungen für 60.000 Menschen hängen. Diese Zahl setze sich aber aus sechs großen Bauvorhaben zusammen (Berresgasse, Heidjöchl, Seestadt Nord, Oberes Hausfeld, Süßenbrunner Straße Nord, Hausfeld Süd & West), wobei es nur für eines davon – Seestadt Nord – auch einen Bescheid gegeben habe. Und grundsätzlich seien auch Bescheide "keine Naturgesetze, sondern änderbar", sagte Rehm. Ihn ärgert auch, dass Verknüpfungen nur zwischen Wohnbau und Straßenprojekten passieren würden, aber nicht etwa zwischen Stadtstraße und S1-Spange Seestadt.

"Intelligente Städtebauprojekte brauchen keinen Anschluss an eine Autobahn", bekräftigte Heinz Mutzek vom BürgerInnen-Netzwerk. Bürgerinitiativen würden oft als "aufgebrachte Wutbürger" dargestellt, "so etwas wie echte Bürgerbeteiligung gibt's in Wien aber nicht", sagte Mutzek. Er sowie Rehm und Eisinger-Sewald hoffen nun, dass "Magistrat und Stadtregierung dem sozialen Wohnbau nicht weiterhin hemmende Steine in den Weg legen" und das beantragte Änderungsprojekt "rasch abarbeiten und antragsgemäß erledigen".

Interessantes Detail: Dass es im erwähnten Bescheid "besiedelt" heißt, und nicht etwa auf einen Baubeginn oder eine Baufertigstellung Bezug genommen wird, sei bloß ein semantischer Unterschied, sagte Eisinger-Sewald. In der Realität werde wohl kein Bauträger das Risiko auf sich nehmen, mit einem Bau zu beginnen, von dem man nicht wisse, ob er jemals auch bezogen werden dürfe. (mapu, 23.5.2024)