Steinbock und Murmeltier auf einem Bild.
Steinbock und Murmeltier sind im Nationalpark Hohe Tauern anzutreffen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Der Verlust an Artenvielfalt gehört gemeinsam mit dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung zu den großen Krisen unserer Zeit. Weltweit ist eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES ist das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte im Gange. Schutzgebiete leisten einen wichtigen Beitrag, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Um darauf aufmerksam zu machen, luden die österreichischen Nationalparks zum internationalen Tag der Artenvielfalt am 21. Mai nach Wien ein. Auf der an sich wenig ansprechenden Betonfläche zwischen Café Landtmann und dem Burgtheater wartete der "Nationalpark-Campus" mit Stationen auf, die die Besonderheiten jedes der sechs Nationalparks dokumentierten und bei denen Rangerinnen und Ranger die Fragen eines interessierten Publikums – darunter viele Schulklassen – beantworteten.

Drei Prozent der Landesfläche

Die sechs österreichischen Nationalparks Donauauen, Gesäuse, Hohe Tauern, Kalkalpen, Neusiedler See – Seewinkel und Thayatal machen gemeinsam gerade einmal drei Prozent der Landesfläche aus, sind aber immens wichtig für die heimische Biodiversität. Diese ist bekanntlich rapide im Sinken begriffen, was nicht nur unsere Welt grundsätzlich ärmer macht: Der zunehmende Verlust von Arten gefährdet auch die Lebensgrundlage von uns Menschen. Man denke an den Ausfall von Insekten, die für die Bestäubung zahlreicher Obst- und Gemüsesorten notwendig sind. Dazu kommt, dass alle Organismen in mehr oder weniger komplexen Gefügen leben und in vielen Fällen unklar ist, wie sich der Verlust einzelner Bestandteile auf diese Systeme auswirkt. Es ist also klug, möglichst viele davon zu erhalten.

Przewalski-Pferd vor Schilf und hohem Gras
Ein Przewalski-Pferd grast im Nationalpark Neusiedler See.
APA/NINA KORNBERGER

Die österreichischen Nationalparks zeichnen sich, wie Thomas Wrbka, wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel und Präsident des Österreichischen Naturschutzbundes, durch einen hohen Schutzstatus aus: 75 Prozent ihrer Fläche stellen die Kern- beziehungsweise Naturzone dar, in die der Mensch nicht eingreifen darf. Der Rest entfällt auf Außen-, Bewahrungs- und Managementzonen, in denen traditionelle, naturnahe Bewirtschaftung erfolgen kann. Dabei geht es vor allem um die Erhaltung von Kulturlandschaften und deren Artenvielfalt.

So beherbergen extensiv genutzte Wiesen eine große Zahl von Arten, die verschwinden, wenn die Flächen nicht mehr als Weide genutzt werden. In den Randzonen des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel sorgen deshalb unter anderen Graurinder, Weiße Esel und Przewalski-Pferde für die nötige Beweidung. Davon profitieren gefährdete Arten wie etwa die Rotbauchunke oder die Purpur-Königskerze.

Totholz bleibt liegen

Im Kern der österreichischen Nationalparke bleibt die Natur hingegen weitestgehend sich selbst überlassen – vor allem erfolgt keine Nutzung. Im Unterschied zum Wirtschaftswald, in dem totes Holz entfernt wird, bleibt Totholz in den Nationalpark-Wäldern liegen. Das kommt einer Vielzahl von Arten zugute, die genau diesen seltenen Lebensraum brauchen. So erhöhte sich die Zahl der Käfer im Nationalpark Thayatal von 210 Arten im Jahr 2006 auf heute 340, wie Christian Übl, Obmann der Nationalparks Austria und Direktor des Nationalparks Thayatal, ausführte. Auch die Specht-Populationen haben sich laut Übl innerhalb von zehn Jahren verdreifacht.

Wildkatze hinter Gebüsch und Blättern versteckt
Auch Wildkatzen kehren zurück, wie etwa im Nationalpark Thayatal.
APA/HELMUT FOHRINGER

Eingriffe erfolgen, wenn überhaupt, nur, um die Schutzflächen besser geeignet für Pflanzen und Tiere zu machen. Dazu gehört etwa im Nationalpark Donauauen, dass künstliche Uferstrukturen entfernt und abgeschnittene Altarme wieder an die Donau angebunden werden. Dadurch wird dem Fluss mehr Dynamik erlaubt, was unter anderem zum Entstehen von mehr Schotter- und Sandbänken führt. Diese braucht etwa der Flussregenpfeifer zum Brüten. Sein Bestand wurde Anfang der Neunzigerjahre nur noch auf sieben bis neun Brutpaare geschätzt, mittlerweile sind es mehr als 40.

Deutliche Zuwächse durch Schutzmaßnahmen in den Nationalparks zeigen auch so emblematische Tiere wie der Seeadler, der nach langer Abwesenheit 2005 im Nationalpark Donauauen das erste Mal wieder brütete und jetzt immerhin mit sechs Brutpaaren vertreten ist, oder die Wildkatze: Nachdem sie lange Zeit als ausgestorben galt, wurde sie 2007 das erste Mal im Nationalpark Thayatal nachgewiesen. Seitdem mehren sich die Meldungen über ihre Anwesenheit stetig. Im Jahr 2000 tappte im Nationalpark Kalkalpen das erste Mal ein Luchs in eine Fotofalle, heute gibt es mindestens sechs Luchse dort.

Vom Aussterben bedroht

Eine besondere Rolle für die Biodiversität spielen endemische Arten: Das sind Pflanzen und Tiere, die weltweit nur in einem sehr begrenzten Gebiet vorkommen und daher besonders anfällig sind. Verschwinden sie dort, sind sie unwiederbringlich ausgestorben. Besonders viele solcher Arten verzeichnet der Nationalpark Gesäuse: 195 Tier- und 30 Pflanzenarten dort sind Endemiten.

Die Budgets der Nationalparks wurden in den letzten Jahren erhöht, auch die Areale der Nationalparks Gesäuse sowie Neusiedler See – Seewinkel wurden um mehr als 100 Hektar vergrößert. Es soll aber noch mehr Erweiterungen geben, für die aus dem 2022 errichteten Biodiversitätsfonds 27 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Mittel sind gut investiert, denn "Biodiversität ist unsere Lebensversicherung", ist Klimaschutzministerin Leonore Gewessler überzeugt. (Susanne Strnadl, 24.5.2024)