Wer einen Fuß in die Putzerei Gottschalk setzt, bekommt in zweifacher Hinsicht einen warmen Empfang. Zuerst nimmt einen eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit in den Schwitzkasten. Danach trifft man mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Eva oder Sandra Gottschalk. Das ausnehmend freundliche Mutter-Tochter-Gespann führt hier, mitten im dritten Wiener Gemeindebezirk, eine Putzerei.

"Im Sommer kann es wirklich ganz schön heiß hier drinnen werden", erklärt Eva Gottschalk, die seit über 40 Jahren professionell Wäsche reinigt. Hemden und Mäntel, Anzüge, Daunen-, Pelz- und Lederjacken, aber auch Teppiche, Pölster, Decken oder Stofftiere. Demnächst kommt wohl eine Diddl-Maus in die Trommel, die gerade noch oben auf einer der zahlreichen Maschinen thront.

"Die Zeiten haben sich geändert", sinniert Tochter Sandra und meint damit nicht das überdimensionierte Stoffviech mit den riesigen Klumpfüßen, das in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren zu einer regelrechten Mäuseplage in Kinderzimmern führte und heute zum Glück fast ausgestorben ist. Vielmehr war bis zum ersten Corona-Lockdown vor vier Jahren hier in der Putzerei noch eine der ältesten Münzwäschereien Wiens zu finden.

Die Schleuder-Gang

Aber wo früher amerikanische Touristen am Boden kauerten und darauf warteten, bis Kleidung gewaschen und getrocknet war, türmen sich heute Wäscheberge. Manche sind fast zwei Meter hoch. "Wir mussten uns neue aufstellen. Die Stammkunden wurden schon vor Corona immer weniger. Viele waren bereits alt und sind leider verstorben. Jetzt waschen wir unter anderem für Großkunden wie Rewe, aber auch für umliegende Hotels", erzählt Sandra Gottschalk, die Ende des Jahres das Geschäft von ihrer Mutter übernehmen wird. So zumindest der Plan, denn: "Die Wäscherei ist eine Art Lebenselixier für mich", erklärt Eva Gottschalk. Da ist Loslassen nicht so einfach, und auch wenn sie sich ohne Wehmut an die alten Münzwäschereizeiten erinnert – ein Hauch von Nostalgie schwingt in ihren Erzählungen schon mit: "Kennen Sie die Alltagsgeschichte von der Elizabeth Spira, die in Waschsalons spielt? So ging es bei uns auch zu. Da sind tageweise immer dieselben Leute gekommen. Die haben sich hier getroffen und Kaffee getrunken. Die Frau Spira war übrigens eine Stammkundin von uns."

Ganz vorbei ist das Damals übrigens noch nicht. Für ganz wenige Auserwählte, die man seit Jahrzehnten kennt, machen die Gottschalks eine Ausnahme, wenn diese ihre Wäsche bringen. Dann wird gespült und geschleudert, als stünden da noch lauter Münzwaschmaschinen, und nicht selten verbringt die treue Klientel die Zeit, bis alles fertig ist, auch noch in der Putzerei.

"Wien war eigentlich nie eine Hochburg für Münzwäschereien", sagt Franz Lang, Innungsmeister des Berufszweiges der Textilrei­niger der Wiener Wirtschafts­kammer, und liefert auch gleich die Erklärung dazu: "Bereits in den 1920er-Jahren gab es in den Gemeindebauten der Stadt Gemeinschaftswaschküchen. Deswegen war der Trend etwa nie so groß wie in Paris oder London." Dass Genossenschaftsbauten dem Gemeindebauvorbild folgten und in Wirtschaftswunderzeiten die eigene Waschmaschine zum erschwinglichen Statussymbol wurde, war dann auch nicht unbedingt ein Treiber für Waschsalons.

Den Nerv getroffen

Das zeigt auch die Statistik. 1990 gab es in Wien eine einzige aufrechte Berechtigung für eine Münzwäscherei. Aber es änderte sich etwas, wie Lang erzählt. "2010 waren bei der Wiener Wirtschaftskammer acht Wasch­salons erfasst, aktuell gibt es 17 aufrechte Berechtigungen. Wahrscheinlich sind es aber mehr."

Ziemlich sicher sogar. Der Südtiroler Unternehmer Andreas Resch betreibt mit Green & Clean gleich 15 Salons, quer über die Stadt verteilt. Und der steirische Immobilienunternehmer Helmut Steiner bringt unter dem Label Waschtreff acht Selbstbedienungsmünzwaschsalons ins Treffen. "Wir haben zahlreiche Sonnenstudios in Wien betrieben. Als die Nachfrage danach sukzessive weniger wurde, nutzten wir den Leerstand und eta­blierten Münzwäschereien", erzählt Georg Aminger, mit Helmut Steiner Co-Geschäftsführer der Waschtreffs. "Das war vor rund 15 Jahren, und wie es scheint, haben wir dabei einen Nerv getroffen."

Von der Sonnenbank zum Trockner – die neue Klientel hat er jedenfalls schnell umrissen. "Es sind vor allem Studenten, Touristen, Menschen, deren Maschine eingegangen ist, und viele, die große Textilien wie Teppiche, Vorhänge oder Matratzenbezüge nicht zu Hause und auch nicht in der Wäscherei reinigen lassen wollen. Außerdem waschen viele Airbnb-Betreiber bei uns." Je nach Standort bringt eine Filiale im Monat zwischen 4000 und 7000 Euro, erzählt Aminger: "Kein Bombengeschäft, aber dank einer guten Stammkundschaft stabil."

Ähnliches berichtet auch Andreas Resch. Den Bozener, der in den 1990er-Jahren in Italien Waschmaschinen verkaufte und Waschküchen für Hotels, kleinere Spitäler und Altersheime plante, verschlug es 2007 nach Wien. "Ich hab gemerkt, dass es hier eine Nische gibt", erzählt er. 2010 sperrte Resch dann seine erste Green-&-Clean-Filiale auf. Sein Ansatz: "Jeder Haushalt soll eine Waschmaschine haben, aber viermal im Jahr die großen Sachen, Bettbezüge, Teppiche und dergleichen, bei uns in den Selbstbedienungssalons waschen." Aber natürlich profitiert auch er von Touristen und Studenten oder Herrchen und Frauchen, die in eigens dafür vorgesehenen Waschmaschinen die Textilien von Mutzi und Wautzi reinigen können. Im Durchschnitt zählt er 30 bis 60 Kunden täglich pro Filiale. Hier hat man übrigens nichts mit Münzen am Hut, bezahlt wird ausschließlich mit Karte.

Nachhaltige Waschgänge sind Resch, der Name seiner Salons legt es nahe, dabei besonders wichtig. "Wenn ich Green draufschreibe, muss auch Green drinnen sein." In der Praxis heißt das unter anderem, dass Resch, nach eigener Angabe, das allerbeste Biowaschmittel am Markt in seinen Maschinen zur Anwendung bringt: "Es kommt aus Belgien und ist absolut frei von Allergenen und Parfums. Man kann es trinken", scherzt er.

Salongespräche

Mittlerweile ist er mit seiner Kette übrigens auch Franchise-Geber, und es mangelt nicht an Interessenten, wie er berichtet. Aber: "Die Investitionskosten schrecken dann doch viele wieder ab." 200.000 Euro müsste man schon investieren, um sich seinen Traum vom eigenen Waschsalon zu erfüllen. Robuste Hightech-Waschmaschinen und Trockner kosten eben. Manchmal sogar noch mehr. 500.000 Euro nahm Resch in die Hand, um am Urban-Loritz-Platz eine Art Flagship-Waschsalon hinzustellen.

Der ist an einem frühen Freitagabend nicht schlecht besucht. Und ja, man kommt mit Menschen an so einem Ort schnell ins Gespräch. Etwa mit Mirjana S., die mit ihrem Partner hier ist. Er unterstützt sie beim Ein- und Ausräumen der Maschinen und Trockner. Die entsprechenden Anweisungen gibt ihm die gebürtige Serbin auf Spanisch. Frau S. kennt den Waschsalon hier gut, und sie mag die Atmosphäre an diesem Ort. "Ich finde, Waschsalons haben etwas Lustiges und Witziges an sich. Aber vielleicht liegt es daran, dass ich schon seit Jahren NightWash anschaue. Das ist eine Stand-up-Comedy­-Sendung, die in einer Wäscherei und vor Pu­blikum aufgezeichnet wird." Üblicherweise ist die 70-Jährige hier, wenn sie größere Stücke zu waschen hat. "Heute aber nicht. Meine alte Waschmaschine hat nach 20 Jahren den Geist aufgegeben. Es ist gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der das kostengünstig und verlässlich repariert."

Waschen ist wie Yoga

Bernhard L., der sich nicht fotografieren lassen möchte, hat ein anderes Problem. "Ich bin eben vom sechsten in den siebten Bezirk umgezogen, und die Waschmaschine ist noch nicht in der neuen Wohnung." Der 58-Jährige kennt den Waschsalon übrigens von früher, als dieser nicht ganz so schön herausgeputzt war, wie er sich jetzt präsentiert. Was ihn nach jahrelanger Wäschereiabsenz überrascht hat, war, dass man kein eigenes Waschmittel mehr mitzunehmen braucht. Lakonisch kommentiert er diesen Umstand. "Praktisch."

Um einiges redseliger ist da schon Klaus Ditz. Wenn der 58-Jährige zu erzählen beginnt, kommt man beim Mitschreiben ins Schleudern. Er stellt sich als Schauspieler und Friseur vor. "Ich bin seit Jahrzehnten der Friseur von Senta Berger und für ihr Rot verantwortlich", fängt Ditz an, der als 16-jähriger Jungspund vom Burgenland nach München zu seiner Mutter Herta Lueger zog. Die war damals bereits als Szenefriseurin etabliert und machte der Münchner High Society die Haare. Jetzt sucht Ditz in Wien eine Wohnung und hat sich ein paar Stunden zuvor eine vielversprechende in der Gumpendorfer Straße angeschaut. Er will nicht mehr so oft nach München pendeln und länger in Wien bleiben: "Aktuell wohne ich im Hotel, aber ich mache meine Wäsche gerne selbst", erklärt er den Grund, warum es ihn in den Waschsalon verschlagen hat. "Außerdem liebe ich die Stimmung hier herinnen. Am Abend, aber vor allem morgens um 6 Uhr. Super zum Runterkommen. Fast wie Yoga." Ditz, der – es ist eine Art Superpower – auf Knopfdruck fotogen sein kann, hat kein Problem, die Lieblings­stücke in seinem Wäschekorb zu zeigen. Ein Vintage-Badetuch, ein Secondhand-Vorlegeteppich, ein Bademantel. "Kaum jemand hat heute noch Respekt vor guten Stoffen", bemerkt er und erzählt, dass er in Wien gern ein Buch schreiben würde. Auch da hat er guten Stoff nach Jahrzehnten auf Tuchfühlung mit Münchens Hautevolee. Es sind Geschichten, die sich gewaschen haben und die man nicht nur in einem Waschsalon hören will. (Manfred Gram, 25.5.2024)