Gäste vor der offenen Küche im Orientable
Orientable ist ein kleines Lokal mit offener Küche und tollem Essen zwischen nahöstlichen Mezze und persischer Eintopf-Offenbarung.
Gerhard Wasserbauer

Es passiert nicht oft in Wien, dass einem beim Betreten eines neu eröffneten Lokals andere Gäste aufmunternd zunicken, um einem zwischen zwei gierigen Bissen "Mmh, richtig gut hier" zuzuraunen. Aber vielleicht ist Währing auch einfach der allernetteste Wiener Bezirk und die Menschen zwischen Jörger- und Hasenauerstraße noch einmal entspannter und zugewandter als in anderen Teilen unserer lebenswertesten Stadt von überhaupt. Hm. Es kann aber auch sein, dass das neue Orientable, ein kleines Restaurant auf der äußeren Währinger Straße, einfach so irrsinnig gut kocht, dass man gar nicht anders kann, als jedem, egal ob der es wissen will oder nicht, seine Begeisterung in kindlicher Unmittelbarkeit mitzuteilen. Da spricht einiges dafür.

Von außen ist das, wie so oft, nicht gleich zu erkennen. Das Restaurant wirkt proper, ist mit Ornament-Feinsteinzeug am Boden und an den Wänden, mit charakteristisch grell aufgedrehten Kristalllustern und einem eigenen Tandoor-Ofen fürs Brot, der sich mit ein bissl Strecken durchs Küchenfenster erkennen lässt, vertrauenswürdig orientalisch ausgestattet. Auch die Speisekarte im Aushang verspricht einiges.

Bunte Mezze-Teller
Herausragende Mezze, im Bild etwa Mutabal (Melanzani aus der Glut mit Tahina und Joghurt) mit Granatapfelkernen, Fatush (Salat mit frittiertem Fladenbrot), Muhamara aus gegrillter Paprika mit Walnuss und knusprigen, mit Faschiertem gefüllten Kibbeh (im Uhrzeigersinn von oben).
Gerhard Wasserbauer

Dass es dann aber so exorbitant gut wird, war nicht vorherzusehen. Mezze, die klassisch nahöstliche Vorspeisen-Armada, ist in aller Vielfalt verfügbar – und durchwegs besonders gut. Kibbeh, torpedoförmige Fleisch-Mandel-Bällchen in Reiskruste, duften nach Zimt und Nelken, wahnsinnig knusprig und saftig zugleich. Tabulleh, der Salat aus Petersilie, Minze, bissl Tomate und ganz viel Zitronensaft, geht einem durch und durch wie ein Blitz aus Frische und saurer Energie. Ob Muhamara (die Paste aus süß gegrillter Paprika und Walnüssen), Mutabal, der unwiderstehlich rauchige Melanzanigatsch mit Tahina, Olivenöl und Joghurt, oder Hummus bil lahma, für das die samtige Kichererbsencreme mit feingehacktem, gegrilltem Lamm und gerösteten Pinienkernen garniert wird: alles erstklassig, und mit dem herausragenden Brot, frisch aus dem Tandoor, gleich noch einmal so gut.

Schüssel mit Tabulleh
Tabulleh aus Minze und Petersil.
Gerhard Wasserbauer

Arayez, hauchdünnes, knuspriges, mit würzigem Faschiertem gefülltes Fladenbrot, wird mit köstlich würzigen Pickles aufgetragen, Fattush, der mit frittierten, wie Glas splitternden Fladen-Croutons angereicherte Salat mit Granatapfelkernen, kommt in einer Art Körbchen aus knusprigem Fladenbrot.

Diese Art von aufmerksamer Hingabe wird auch den Hauptspeisen zuteil. Einerseits den Sachen vom Grill, extrem zarten Lammkoteletts zum Beispiel, oder sehr saftigem, mit einem duftig scharfen Dip serviertem Shish Kebab – ganz speziell aber den Eintöpfen aus der persischen und irakischen Tradition. Qozi al Sham zum Beispiel, eine ganze Lammhaxe, mit Reis, Safran, Zimt, Rosinen und Mandeln löffelweich und saftig geschmort, wird vor dem Servieren in Teig geschlagen und im Ofen knusprig gebacken – spektakulär gut!

Ein Topf Glück

Lammhaxe in Nahaufnahme
Qozi al Sham: Eine ganze Lammhaxe mit Reis, Safran, Zimt, Rosinen und Mandeln löffelweich und saftig geschmort, wird vor dem Servieren in Teig geschlagen und im Ofen knusprig gebacken.
Gerhard Wasserbauer

Qorme Sabzi, das legendär komplex gewürzte persische Lammragout mit roten Bohnen, vor allem aber mit einer Fülle hocharomatischer Kräuter und getrockneter Limetten, gibt es hier auch in einer veganen Variante – auch sehr gut. Dasselbe gilt für Geymeh Badenjan, Melanzani und Lamm in einer würzigen Salsa aus Paradeisern, Gewürzen und getrockneten Limetten – ist ohne Fleisch kaum weniger attraktiv. Ungleich milder, aber von geradezu zauberhafter Harmonie ist Teman Baghela, mit Kurkuma geschmorte Lammhaxe in einer sanften, molligen Sauce, die mit Dillreis und Saubohnen aufgetragen wird.

Aufnahme von Kunafah
Kunafah, in Kadayif (Engelshaarpasta) gewickelter Akkawi-Käse, knusprig und süß gebraten und mit einer Kugel erstklassigem Safraneis serviert.
Gerhard Wasserbauer

Hinterher empfiehlt sich Kunafah, in Kadayif (Engelshaarpasta) gewickelter Akkawi-Käse, knusprig und süß gebraten, und mit einer Kugel erstklassigem Safraneis serviert. Zu alldem trinkt man Tee oder Wein aus der kleinen, aber sehr anständigen Auswahl. Das Bier, flaches Murauer, braucht man nicht unbedingt – das soll dem Vernehmen nach auch demnächst ausgetauscht werden. (Severin Corti, 27.5.2024)