Kurkuma-Pulver, Wurzel und Kapseln
Kurkuma ist heute ein weitverbreitetes Nahrungsergänzungsmittel. Das traditionelle indische Gewürz war lange Zeit Gegenstand von Patentstreitigkeiten, 1995 wurde ein bestehendes Patent widerrufen.
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Mehr als 20 Jahre hat es gedauert, nun gibt es endlich ein Ergebnis: Am Freitag haben sich in Genf mehr als 190 Staaten auf ein Abkommen gegen sogenannte Biopiraterie geeinigt. Der Vertrag soll die Patentierung genetischer Ressourcen aus Heilpflanzen und anderen Organismen regeln, insbesondere wenn deren Nutzung auf traditionellem Wissen basiert, wie die UN-Organisation für Geistiges Eigentum (Wipo) mitteilte.

Als genetische Ressourcen gelten neben Heilpflanzen auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen und Tierrassen. Sie werden von Unternehmen schon die längste Zeit für lukrative Produkte wie Kosmetika, Saatgut, Arzneimittel, Biotechnologie und Nahrungsergänzungsmittel verwendet. Diese Ressourcen, die von indigenen Völkern oft schon seit Jahrtausenden genutzt werden, haben laut den Vereinten Nationen in den vergangen Jahren erhebliche Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Klima und Ernährungssicherheit ermöglicht. Die Länder oder Gemeinschaften, aus denen das traditionelle Wissen stammt, gehen jedoch in den meisten Fällen leer aus: Sie werden weder entschädigt noch an den daraus resultierenden Gewinnen beteiligt.

Stonewashed Jeans und Stevia

Ein bekanntes Beispiel für eine derartige Biopiraterie ist die Forschungsarbeit einer kenianischen Wissenschafterin von Anfang der 1990er-Jahre über Enzyme von Organismen in einem Salzsee, die dort unter extremen Bedingungen leben. Chemieunternehmen entwickelten aus den Enzymen patentierte Bleichmittel, die für den Stonewashed-Effekt von Jeans sorgen. Erst nach langem Kampf wurden die Anwohnerinnen und Anwohner des Sees von einigen Firmen entschädigt. Ein anderer Fall ist die traditionell von indigenen Völkern in Südamerika genutzte Stevia-Pflanze, die heute großflächig von der Nahrungsmittelindustrie zur Süßung eingesetzt wird.

Steviapflanzen
Die Inhaltsstoffe von Stevia sind eine gesunde Alternative zu Zucker. Die Pflanze wird bereits seit mehr als 1500 Jahren vom südamerikanischen Volk der Guarani genutzt.
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Grundsätzlich können natürliche genetische Ressourcen nicht direkt als geistiges Eigentum geschützt werden. Werden Pflanzen aber verändert oder etwas daraus extrahiert, kann das neu entstandene Produkt patentiert werden. Der UN-Vertrag legt nun fest, dass die Patentanmelder offenlegen müssen, woher die in einer Innovation verwendeten genetischen Ressourcen und das damit verbundene traditionelle Wissen stammen. Zum einen soll so zunächst festgestellt werden, dass eine zu patentierende Erfindung tatsächlich neu ist. Außerdem sollen in der Folge Länder und lokale Gemeinschaften prüfen können, ob für die Nutzung ihrer genetischen Ressourcen alle Genehmigungen eingeholt und die nötigen Beteiligungsverträge abgeschlossen wurden.

Wichtigster Streitpunkt waren die Sanktionen bei Zuwiderhandlungen. Einige Länder, etwa die Gruppe afrikanischer Länder, forderten, dass Patente einfacher wieder entzogen werden können. Reichere Länder kritisierten das als innovationshemmend. Der Vertrag sieht nun einen Widerruf des Patents nur dann vor, wenn ein betrügerischer Vorsatz bei der Offenlegungspflicht vorliegt.

"Bestmöglicher Kompromiss"

"Wir haben heute Geschichte geschrieben", sagte Wipo-Generaldirektor Daren Tang in der Nacht. Andere Stimmen sind weniger enthusiastisch. Das Ergebnis sei "ein realistischer, ein ausgewogener Text", sagte der Unterhändler eines westlichen Staates der Nachrichtenagentur AFP. Der Verhandlungsführer und brasilianische Botschafter Guilherme de Aguiar sprach vom "bestmöglichen Kompromiss".

"Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass es revolutionär ist", sagte Antony Scott Taubman, der 2001 die zuständige Abteilung bei der Wipo gegründet hat, inzwischen aber nicht mehr bei der Organisation arbeitet. "Was wir hier konzeptionell sehen, ist die Anerkennung, dass die Anmeldung eines Patents kein rein technischer Schritt ist." Es werde festgeschrieben, dass der Patentanmelder auch Verpflichtungen hat, sagte Taubman der AFP.

Offene Fragen

Nach wie vor bleiben allerdings wichtige Punkte offen: "Die neue Herausforderung sind gentechnische Verfahren, mit denen Wirkstoffe einer Pflanze nachgemacht werden können", sagte der Geoökologe Axel Paulsch, Vorsitzender des deutschen Instituts für Biodiversität, der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn die DNA entschlüsselt und in einer Datenbank verfügbar ist, braucht man die Pflanze gar nicht mehr. Die große Frage: Soll das Herkunftsland der Pflanze trotzdem einen Nutzen haben?" Ein Vorschlag sei, dass Firmen und Forschungseinrichtungen, die solche Gensequenzen nutzen, in einen Fonds einzahlen, der wiederum den Herkunftsländern der genetischen Ressourcen zugutekommt.

Darüber wird es jedenfalls noch einige Debatten geben müssen. Schließlich ist die Natur eine der wichtigsten Quellen für Heilmittel. Laut WHO werden 70 Prozent der Krebsmittel aus natürlichen Produkten oder synthetischen Verbindungen nach dem Vorbild der Natur gewonnen. (kri, AFP, dpa, 24.5.2024)