Chinesische Schiffe patrouillieren am Donnerstag um die Insel Taiwan.
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Wenn China wieder einmal Militärübungen um Taiwan abhält, dann gilt es immer, auf der Hut zu sein. Derartige Übungen sind für Peking immer sowohl symbolisch als auch strategisch: Da wird einerseits klar gekennzeichnet, dass man mit irgendetwas auf der – aus Pekings Sicht – "abtrünnigen" Insel nicht zufrieden ist.

Im aktuellen Fall war es die Angelobung des Präsidenten Lai Ching-te (im Westen auch als William Lai bekannt) am Montag. Andererseits kann Peking für einen etwaigen Ernstfall üben, der mit jeder Übung schon deshalb realistischer wird, weil die angedrohte Invasion praktisch besser umsetzbar wird.

Drohungen und Beschwichtigungen

Gleichzeitig darf man derartige Übungen aber nicht isoliert sehen, sondern als eines von vielen Elementen in einem äußerst komplexen wie gefährlichen Spiel von Drohungen und Beschwichtigungen, das seit Jahren einen weitgehend friedlichen Status quo zwischen Peking, Taipeh und Washington aufrechthält. Wenn Peking also diese Woche wieder einmal seine Kriegsschiffe losschickt, dann muss betont werden, dass eine derartige Reaktion seit Monaten erwartet wurde.

Der 20. Mai war lange als Angelobung des Präsidenten fixiert. Dass Lai in seiner Antrittsrede von "China" als Gegenüber sprach und damit indirekt die Existenz zweier Länder andeutete, könnte ein Grund dafür sein, warum auch Peking rhetorisch ein Schäuferl dazulegte – hier drohte man mit "Blutvergießen". Aber eine echte Überraschung, oder gar eine große Eskalation, waren die Manöver nicht. Gefährlich bleiben sie aber allein schon deswegen, weil mit jeder Übung das Risiko einer Fehlkalkulation steigt. (Anna Sawerthal, 24.5.2024)