Ein junger Mann mitten in einem Cyberspace vor dem PC
Es ist bequem, erspart Wege, es passen mehr Meetings in den Kalender. Aber richtig gut klappt es nicht mit der virtuellen Meetingkultur.
IMAGO/Zoonar.com/Kasper Ravlo

Hand heben, brav warten, bis die Sprecherlaubnis kommt – oder eben nicht. Sich abmühen, Energie versprühen, allerdings leider zu vielen schwarzen Kacheln sprechen oder zu Menschen, die nebenbei ganz etwas anderes machen: Digitale Besprechungen sind auch nach Jahren des Übens seit Ausbruch der Corona-Pandemie sowohl für Teilnehmende als auch für Leitende oft wirklich erschöpfend.

Michaela Schaffhauer-Linzatti und Irene Kernthaler haben 59 Expertinnen und Experten plus 887 Arbeitnehmende im Rahmen des Forschungsprojekts COME (gefördert vom Digifonds der Arbeiterkammer Wien) befragt, wie es so läuft in der virtuellen Meetingwelt, und daraus Tipps erarbeitet.

Die Ausgangslage: Fast 40 Prozent empfinden virtuelle Meetings als anstrengender als physische Besprechungen. Akustische Typen hätten virtuell die meisten Vorteile auf ihrer Seite, sagen die beiden Studienautorinnen. Aber wie auch schon diverse Umfragen zur Zoom-Fatigue (Erschöpfung durch serielle Zoom-Meetings) zeigten, strengt Teilnehmende eine aufgedrehte Kamera mehr an – man ist dauernd zu sehen, unter Beobachtung. Und: 38 Prozent geben an, in physischen Meetings leichter und eher zu Wort zu kommen. Sieben Prozent schweigen meistens oder immer.

Die Aktiven

Die in digitalen Meetings Aktivsten haben einiges gemeinsam: Sie haben inhaltlich etwas beizutragen. Sie verbringen generell viel Zeit in Meetings, sind also geübt. Und sie haben die Kamera aufgedreht und möchten die anderen Teilnehmenden auch sehen. Aus diesem Sample hat aber nur ein knappes Drittel die Kamera immer aufgedreht. Zum Abdrehen neigen: Jüngere, Menschen ohne Führungsfunktion, die Meetings selten selbst leiten und nebenbei etwas anderes arbeiten.

Warum werden virtuelle Meetings oft nicht als besonders attraktiv empfunden? Für jeden Dritten dauert Diskutieren, Entscheidungen-Treffen und Brainstorming länger. Der Grund dafür könnte an der nicht angemessenen Vorbereitung und Leitung selbst liegen und folgend an der Unklarheit für die Teilnehmenden. Dies wiederum könnte Ursache dafür sein, dass 65 Prozent gestehen, nebenbei an etwas anderem zu arbeiten. Sie glauben, man merke es nicht, doch geben 54 Prozent an, dass es sie sehr stört, wenn die Kolleginnen und Kollegen solcherart abgelenkt sind. Klar, man muss so oft mehrmals nachfragen. Was machen die Leute nebenbei? Die meisten arbeiten ihre Mails ab oder widmen sich anderen Projekten, sagt diese Studie. Sieben Prozent erledigen Familiäres.

Gegen diese Undisziplin, sagen die Studienautorinnen, helfe Reden. Freundlich und direkt ansprechen, lautet der Rat. Pausen werden ebenso empfohlen wie Break-out-Rooms. Direkte Einladungen zum Sprechen stehen ebenfalls auf der Verbesserungsliste, um vermeintliche Multitasker zur Fokussierung auf die Meetinginhalte zu bringen. Und: Entscheidungen werden als besser empfunden, wenn alle die Kamera aufgedreht haben. Auch das könnte geregelt werden.

Eine Frage der Vorbereitung

Dass eine gute Struktur für virtuelle Meetings entscheidend ist, ergibt dieses Forschungsprojekt jedenfalls. Demnach sagen 43 Prozent der Befragten, ihnen sei ihre Aufgabe im Meeting nicht klar. Klar, dann ist man nicht wirklich bei der Sache. Menschen, die viel Zeit in solchen Meetings verbringen, wünschen sich folglich auch eine "restriktivere Einladungspolitik".

Dabei geht es nicht nur um kürzere Meetings und mehr Tempo, denn 50 Prozent der Befragten sagen, dass Distanz und fehlende informelle Kommunikation der Teilnehmenden das Hauptproblem der virtuellen Zusammenarbeit seien. Zeit, auch virtuell, für eine "menschliche" Runde wäre also nicht falsch.

Als "Playbook" für virtuelle Meetings empfehlen die Autorinnen: eine klare Agenda, eine Tagesordnung und Rollenklarheit für die Teilnehmenden. Dabei hängt immer auch viel von der professionellen Moderation des Meetings ab. Fünf oder zehn Minuten Pause nach jeder Meeting-Stunde werden angeraten. Einstiegsrunden und Ausstiegsrunden sollten Raum für informelle Kommunikation bieten. Größere Gruppen in kleinere zu splitten und Break-out-Rooms einzurichten sei ebenfalls hilfreich, dann kommen auch mehr Menschen besser zu Wort. Und als Basic: Die technische Infrastruktur muss passen. Es muss klar sein, wo es schnell Support gibt, wenn etwas nicht klappt. (Karin Bauer, 27.5.2024)