"Wir müssen mit allen in der Region reden", sagt Alexander Schallenberg zum Krieg in Nahost, "wir wollen, dass Diplomatie Raum greift, wir wollen einen Waffenstillstand, wir wollen mehr humanitäre Hilfe für den Gazastreifen, wir wollen die Befreiung der Geiseln." Der ÖVP-Außenminister war Sonntagabend zu Gast bei Margit Laufer in der ZiB 2 und erklärte dort recht eloquent seine Einschätzung. Man müsse also mit allen reden in der Region, "man hat nur momentan das Gefühl, dass die Region in die Gegenrichtung steuert".

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg bei Margit Laufer in der
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg bei Margit Laufer in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF On

Israel "einzige pluralistische Demokratie in dieser Region"

Hat man in der Vergangenheit zu wenig miteinander geredet? Hat Österreich eine zu große Nähe zu Israels Premierminister Benjamin Netanjahu aufgebaut, der ja eine Zweistaatenlösung ablehnt? "Das ist eine vollkommen falsche Wahrnehmung", antwortet da Schallenberg, Österreich habe eine strategische Partnerschaft mit Israel, egal wer Premierminister sei. Israel sei die einzige pluralistische Demokratie in dieser Region. "Aber das ist kein Nullsummenspiel, wir haben deswegen nicht unsere Beziehungen zur arabischen Welt geändert."

Er verweist hier auf seine "Reisebewegungen und seine Telefonate" und auf seinen sehr intensiven Austausch mit Kollegen aus dem Nahen Osten, auch mit Kollegen aus der arabischen Welt. "Wir sind – wenn, dann als Gesprächspartner sogar interessanter geworden." Die Welt sei nicht schwarz-weiß und nicht eindimensional. Österreich sei jemand, der mit allen vertrauensvolle Gesprächsebenen habe.

Später ging es noch um die Glaubwürdigkeit der EU und die Uneinigkeit in der Palästina-Frage. "Was uns eint, ist das Ziel: am Ende des Tages eine Zweistaatenlösung zu haben", so Schallenberg. Es werden sich weder die Palästinenser in Luft auflösen noch die Israels. Er sieht "intellektuell keine Alternative". Wie erreichen wir aber dieses Ziel? "Die österreichische Bundesregierung hat eine klare Linie. Wir werden diesen Schritt setzen, wenn er eine Auswirkung hat und Teil eines größeren politischen Prozesses ist." Und wann wäre das? "Wir haben noch keinen politischen Prozess, waren mit Oslo und Madrid nahe dran." Jetzt würde das verpuffen und für die Menschen in Gaza und im Westjordanland nichts ändern, "wir können nur einmal einen Staat anerkennen". Wenn Österreich diesen Schritt mache, müsse er "eine wirkliche Auswirkung haben".

Mit beiden Augen sehen

Er bedauert, dass einige Staaten jetzt diesen Schritt setzen werden, er hätte sich "mehr Energie für einen gemeinsamen Weg gewünscht". Trotzdem sieht er eine "sehr große Einigkeit" innerhalb der EU. Ein politischer Prozess müsse "logischerweise Israel miteinbeziehen". Man könne "nicht nur mit einem Auge sehen, man muss mit beiden sehen", bemüht Schallenberg hier eine Metapher. Kann er sich eine EU-Einigung bei der Wiedereinsetzung der EU-Kontrollmission vorstellen, wie sie seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock fordert? Schallenberg sieht hier "einen sehr überlegenswerten Vorschlag", das humanitäre Leiden in Gaza müsste ein Ende haben.

"ZiB 2": Schallenberg: Keine besondere Nähe zu Netanjahu
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Schallenberg erinnert auch an die israelischen Geiseln, "wir sollten nie vergessen, dass dieser Angriff der Hamas vom 7. Oktober nie aufgehört hat". Würde Österreich einen Haftbefehl gegen Netanjahu durchsetzen? Der Chefankläger des Internationalen Gerichtshofs Karim Khan hat ja wie berichtet Haftbefehle gegen drei Hamas-Anführer sowie Israels Ministerpräsidenten Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant beantragt. "Verstörend und unnachvollziehbar" sei für Schallenberg, dass der Chef einer Terrororganisation, die das Ziel hat, Israel auszulöschen, in einem Atemzug mit der Regierung eines pluralistischen demokratischen Rechtsstaates genannt werde. (Astrid Ebenführer, 27.5.2024)