Ja, das Wort ist ein bisserl sperrig: EU-Renaturierungsgesetz. Was steckt hinter diesem Begriff? Das Gesetz sieht vor, dass künftig etwa mehr Wälder aufgeforstet oder Flüsse wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und auch Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) wollen dieser Verordnung nicht zustimmen. Warum nicht? Dazu war Totschnig Donnerstagabend Gast bei Margit Laufer in der ZiB 2.

Landwirtschaftsminister Totschnig war Donnerstagabend zu Gast in der
Landwirtschaftsminister Totschnig war Donnerstagabend zu Gast in der "ZiB 2".
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Steckt also hinter seiner Ablehnung auch Wahlkampftaktik? Diese Frage beantwortet er natürlich mit einem Nein und argumentiert, dass ja schon vieles passiere in Österreich. "Die ÖVP steht mit ihrer ökosozialen Marktwirtschaft für eine Politik, wo die Ökologie immer mitgedacht wird." Man habe etwa die Biodiversitätsflächen "massiv ausgedehnt", es sei auch bereits viel in die Renaturierung des Rheins investiert worden.

"Wenn Sie sagen, Österreich macht so viel, dann wäre es ja auch im Interesse Österreichs, wenn das auf EU-Ebene passiert, damit Österreich nicht alleine dasteht", wirft Laufer folgerichtig ein. "Wenn Gesetze schon vorhanden sind, da noch etwas daraufzulegen, das führt zu einer Überbürokratisierung", so Totschnig. Dieses Argument werden wir noch öfter zu hören bekommen.

Er zählt zusätzliche Auflagen auf, die man angeben müsse, vom Waldvogelindex über die Zusammensetzung von Baumarten bis hin zu Kohlenstoff im Boden. "Das ist ein Wahnsinn, das ist Bürokratie." Erst am Wochenende habe er einen Bauern getroffen, der sich nicht mehr auskenne, versucht Totschnig die Debatte herunterzubrechen. "Ich muss sagen, ich verstehe ihn", sagt der Minister und bringt auch gleich den Schlagwortsatz "Wir brauchen einen Naturschutz mit Augenmaß und Sachverstand" unter. Auch diesen Satz wird Totschnig nicht nur einmal sagen.

"Katze im Sack"

Laufer gibt nicht auf, stellt die richtigen Fragen und will wissen, ob dieses Renaturierungsgesetz nicht auch ein Beitrag sein könne, viele einzelne gesetzliche Maßnahmen unter ein Dach zu bringen und klare Ziele und einen klaren Fahrplan vorzugeben. Hier zeigt Totschnig auf die Mappe vor ihm. Er war fleißig, habe die 238 Seiten genau gelesen. Man wisse nicht, was der Vertrag bedeute, wer die Betroffenen sind, was das koste, wer das bezahlen soll. "Ich kann ja nicht die Katze im Sack kaufen", sagt er. Das sei keine verantwortungsvolle Politik. "Wer Europa besser macht, stimmt diesem Gesetz nicht zu."

Es würden – und das klingt bei ihm fast wie ein Vorwurf – immer wieder Forscher zitiert, die "aus der Ecke des Naturschutzes kommen". Aber als Landwirtschaftsminister müsse er "in die Breite gehen". Der Ansatz des Renaturierungsgesetzes sei einer, "der konserviert" und zurückschaue auf die vergangenen Jahrzehnte. Er hingegen wolle in die Zukunft schauen, durch den Klimawandel verändere sich die Natur. Als Beispiel führt er bei Pflanzen Ragweed, bei Tieren die Asiatische Hornisse an. "Naturschutz mit Augenmaß und Sachverstand", sagt er. Diesen Satz kennen wir schon.

238 Seiten am Tisch in der
238 Seiten am Tisch in der "ZiB 2": Totschnig über das EU-Renaturierungsgesetz.
Screenshot: ORF On

Am Ende geht es um die Lebensmittelsicherheit, er könne dem, was im Entwurf stehe nicht zustimmen, schürt Totschnig Ängste. Gut, dass Laufer darauf aufmerksam macht, dass die Versorgungssicherheit auch im aktuellen EU-Entwurf gegeben sei. Auch Gewessler lässt Totschnigs Argument der Ernährungssicherheit nicht gelten, das sei vorgeschoben, sagt sie im Ö1-Morgenjournal am Freitag. "Man muss im Renaturierungsgesetz nicht lange lesen, die Ernährungssicherheit steht dort ganz vorne drin."

ZIB 2: "Kann dieser Verordnung nicht zustimmen"
Losition.
ORF

Vielleicht hat Totschnig die 238 Seiten ja doch nicht ganz so aufmerksam gelesen. Oder manche Punkte nicht verstehen wollen, weil sie nicht in sein Konzept "der Breite" passen. Die echte Gefahr für Ernährungssicherheit sei die Unterstützung des "hemmungslosen Zubetonieren unseres Landes", bringt es Umweltministerin Leonore Gewessler im Morgenjournal auf den Punkt. Wer Ernährungssicherheit wolle, müsse dorthin schauen "und nicht auf das Gesetz, das die Natur schützt". (Astrid Ebenführer, 24.5.2024)