Umweltministerin Leonore Gewessler glaubt der ÖVP nicht, dass es ihr um sichere Lebensmittelversorgung geht. Die tatsächliche Gefahr für die Ernährungssicherheit sei "das Hemmungslose Zubetonieren unseres Landes".
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Normalerweise fällt es nicht gerade ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn sich die Umweltschutz-Landesrätinnen und -Landesräte zu Gesprächen treffen. Wenn sie das an diesem Freitag in Techendorf am Kärntner Weißensee tun, werden hingegen zahlreiche Augen und Ohren auf sie gerichtet sein. Denn bei dem Treffen geht es auch um das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz, das Bundesregierung wie Länder spaltet. Im Kern geht es bei dem Gesetz um die naturnahe Wiederherstellung unter anderem von Wäldern, Flussläufen und Mooren.

Bis vor kurzem haben sich noch alle Bundesländer gegen das Gesetz ausgesprochen. Eine Entschärfung der EU-Verordnung, die mit dem Argument der Ernährungssicherheit begründet wurde, ließ die rot regierten Länder Wien und Kärnten aber umschwenken. Wien ist mittlerweile für das Gesetz, Kärnten zumindest gesprächsbereit. Die ÖVP rüttelt dagegen weiter nicht an ihrem strikten Nein.

Gewessler: "Das glaube ich nicht"

Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen ist klar für das Renaturierungsgesetz. Ein Nein aller Bundesländer hätte sie aber zur Stimmenthaltung auf EU-Ebene gezwungen, wo Österreich zum Zünglein an der Waage werden könnte. Nicht ganz klar ist zudem, ob Gewesslers Ministerium bei einer Abstimmung auf EU-Ebene allein zuständig wäre oder auch das Landwirtschaftsministerium unter Ressortchef Norbert Totschnig (ÖVP). Dieser würde dem Gesetz jedenfalls nicht zustimmen, wie er bereits mehrfach klargestellt hat.

Gewessler argumentierte am Freitag im Ö1-Morgenjournal, das Renaturierungsgesetz sei "keine Gefahr, sondern unsere Lebensversicherung". Eine intakte Natur sei "Grundlage unseres menschlichen Lebens". Totschnig hat aus Sicht Gewesslers jedenfalls bei der EU-Abstimmung nichts mitzureden. Es sei "langjährige und gelebte Praxis, dass die zuständigen Ministerinnen im Rat entscheiden" – nach Gewesslers Standpunkt offenkundig sie selbst und nicht der Landwirtschaftsminister.

Die Argumente der ÖVP gegen das Gesetz kann die Umweltministerin ohnehin nicht nachvollziehen. Das Thema Ernährungssicherheit hält sie für "vorgeschoben". Denn ebendieses Thema werde in der EU-Verordnung sehr prominent bereits "ganz vorne" erwähnt. Und: "Wenn sich jetzt die Sorgen um die Ernährungssicherheit machen, die sich seit Wochen und Monaten mit Händen und Füßen gegen ein verpflichtendes Bodenschutzziel wehren, dann muss ich sagen, das glaube ich nicht." Eine tatsächliche Gefahr für die Ernährungssicherheit und die Versorgung mit Lebensmitteln sei hingegen, "das hemmungslose Zubetonieren unseres Landes weiter zu unterstützen". (Martin Tschiderer, 24.5.2024)