Nach einem nunmehr fast zwei Jahre andauernden Siechtum soll Österreichs Wirtschaft heuer wieder auf die Wachstumsspur zurückfinden. Denn der Sommer soll nicht nur höhere Temperaturen, sondern auch eine Belebung der Konjunktur mit sich bringen. "Die Rahmenbedingungen für das zweite Halbjahr werden zunehmend besser", sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Sämtlich Wirtschaftssektoren mit Ausnahme der Industrie und vor allem des Baus würden sich bereits stabilisieren, nur bei den Ausreißern werde es noch länger bis zu positiven Wachstumsraten dauern.

Mehrere Personen begutachten ausgestelltes Geschirr.
Der private Konsum und damit auch der Einzelhandel sollen heuer wieder zulegen – und damit die wirtschaftliche Erholung stützen.
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Allzu stark wird das Wachstum heuer wegen der geringen Dynamik in den ersten sechs Monaten allerdings auch im Gesamtjahr noch nicht ausfallen. "In Summe werden sich nicht mehr als 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum in Österreich ausgehen", bremst Bruckbauer die Erwartungen. Damit wäre das vorjährige Schrumpfen um 0,8 Prozent noch nicht aufgeholt. Das wird erst 2025 so weit sein, wenn die Dynamik weiter zulegt und für ein 1,5-prozentiges Wachstum der Wirtschaftsleistung (BIP) sorgen soll. Aber was sind die Gründe dafür, dass es endlich wieder aufwärts gehen soll?

Belebung aus der Geldbörse

Ein wesentlicher Punkt ist die nachlassende Inflation. Bruckbauer führt die verbesserten Aussichten zwar auch auf eine höhere Dynamik der Weltkonjunktur zurück, allerdings werden ihm zufolge weniger die Exportwirtschaft als der Privatkonsum und damit auch der schwächelnde Einzelhandel die Belebung hierzulande anführen. Diese Entwicklung sei auch der rückläufigen Teuerung, die heuer 3,6 nach 7,8 Prozent im Vorjahr betragen soll, geschuldet. Die Lohnzuwächse übersteigen derzeit den Preisauftrieb, was dazu führt, dass sich die Bevölkerung nach zwei rückläufigen Jahren wieder mehr leisten kann. "Das sollte den Konsum stärken."

Zudem eröffnet die geringere Inflation der Europäischen Zentralbank (EZB) die Möglichkeit, ihre zum Zerreißen gespannten Zinszügel wieder etwas lockerer zu lassen. Konkret erwartet Bruckbauer heuer noch drei Zinssenkungen, die erste im Juni, was sich positiv auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen durchschlagen wird. Dazu kommt, dass diese ihre hohen Lagerbestände im Vorjahr verringert hätten. "Das ist negativ für das BIP, weil die Nachfrage aus dem Lager befriedigt haben und nicht aus der Produktion", erklärt Bruckbauer. Nun sollte der Lagerabbau weitgehend abgeschlossen sein – und dieser bremsende Effekt künftig ausbleiben.

Bei der Industrie und am Bau, insbesondere dem Wohnbau, wird es allerdings wohl noch bis zu einer nachhaltigen Trendwende dauern. "Im Wohnbau sehen wir heuer noch keine Erholung", sagt Bruckbauer unter Verweis auf die seit 2019 um 40 Prozent gestiegenen Baukosten. "Die Anpassung dauert noch", ergänzt er", aber es ist eine Stabilisierung zu erwarten." Wirkliches Wachstum werde es in diesem Bereich wahrscheinlich erst 2025 geben.

Bremsende Geldpolitik

Allerdings dämpft EZB-Chefökonom Philip Lane allzu hohen Erwartungen an die anstehenden Zinssenkungen seines Hauses. "Die beste Art, die Debatte in diesem Jahr zu führen, ist, dass wir das ganze Jahr über restriktiv sein müssen", sagt er mit Blick auf die geldpolitische Ausrichtung. Zwar könne der derzeit 4,5-prozentige Leitzins etwas sinken, sollte zunächst aber im restriktiven Bereich bleiben. Im kommenden Jahr sehe es vermutlich etwas anders aus, wenn sich die Inflation in der Eurozone, derzeit 2,4 Prozent, dem Zielwert von zwei Prozent weiter annähere.

Zurück nach Österreich, wo die Bank-Austria-Ökonomen auch das Wachstum auf Bundesländerebene aufgeschlüsselt haben. Sowohl im rezessiven Vorjahr als auch heuer haben dabei zwei Bundesländer die Nase vorne, nämlich Wien und das Burgenland. Warum? Beide haben wenig Industrie und einen vergleichsweise hohen Anteil an Tourismus und öffentlicher Verwaltung, was die Konjunktur stützt. Allerdings wachsen die Bäume nicht in den Himmel, die Wirtschaft soll heuer im Burgenland um 0,5 Prozentpunkte, in der Bundeshauptstadt um 0,1 Prozentpunkte weniger wachsen. Schlusslicht wird heuer die Steiermark, die nach minus 1,5 Prozent im Vorjahr zumindest stagnieren soll. (Alexander Hahn, 27.5.2024)