Besonders oft sind laut Dokustelle Frauen mit Kopftuch von antimuslimischem Rassismus betroffen.
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1522 Meldungen von antimuslimischem Rassismus in Österreich wurden voriges Jahr von der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus erfasst. Das ist eine Rekordzahl und im Vergleich zu 2022 ein Plus von rund 200 Fällen. Mehr als ein Drittel wurde allein im vergangenen Oktober gemeldet, also seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Seit 2015 verfasst die Dokustelle jährlich solche Berichte.

Video: Antimuslimischer Rassismus: Zahl der Fälle laut Dokustelle gestiegen.
APA

Die diesjährige Fallzahl setzt sich aus 507 aktiv eingemeldeten Meldungen (ungefähr eine Verdoppelung zu 2022) und 1015 Fällen aus dem Online-Monitoring der Dokustelle zusammen. Rund zwei Drittel der Fälle fanden im Internet statt. Von den Offline-Fällen ging es in 40,8 Prozent um Ungleichbehandlung, etwa jede fünfte Meldung wurde als Beleidigung eingestuft, 8,9 Prozent der Fälle als "Verbreitung von Hass". Auch Polizeigewalt (7,3 Prozent) wurde gemeldet, in ähnlich hohem Ausmaß Vandalismus (7,5 Prozent). In 2,6 Prozent der Meldungen handelte es sich um physische Übergriffe. Am stärksten betroffen von den an die Dokustelle herangetragenen Vorfällen waren Frauen oder Mädchen.

In dem Bericht findet sich zum Beispiel die Meldung einer Frau, die Kopftuch getragen habe und auf dem Weg zur Arbeit von einem E-Scooter-Fahrer bespuckt worden sei. Oder von einer Frau, die von einem Mann heftig mit dem Ellenbogen gegen die U-Bahn-Tür gedrückt worden sei. Sie habe umgehend Anzeige erstatten wollen, sei von der Polizei aber nicht ernst genommen worden, berichtet die Dokustelle.

Verbreitung von Hass im Netz

Beim Online-Monitoring wurden zu 87,8 Prozent Inhalte zur Verbreitung von Hass beanstandet sowie Verhetzung in 7,8 Prozent der Fälle. Musliminnen und Muslime würden in Online-Kommentaren dehumanisiert und mit Tieren verglichen, berichtete Dunia Khalil, Rechtsberaterin der Dokustelle, bei der Berichtspräsentation am Montag. Viele würden Musliminnen und Muslimen auch die alleinige Verantwortung für den Antisemitismus zuschreiben.

Im Bildungsbereich hätten sich voriges Jahr besonders viele Meldungen von antimuslimischem Rassismus gezeigt, sagte die Geschäftsführerin der Dokustelle, Rumeysa Dür-Kwieder. Sowohl Eltern als auch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer haben Vorfälle gemeldet. Ein Schüler habe zum Beispiel berichtet, dass sein Lehrer gesagt habe, alle Muslime seien Terroristen, da sie "für den Dschihad kämpfen". In einem anderen Fall habe ein Direktor einem Schüler zu verstehen gegeben, ihn würden seine Gebete generalverdächtig machen und diese würden ihn nicht "ernähren". Er habe dem Schüler gedroht, dass sowohl er als auch die Polizei ihn selbst im Auge hätten.

Auffälliger Anstieg auch im Mai

Einen besonderen Anstieg bei den gemeldeten Fällen verzeichnete die Dokumentationsstelle – abgesehen vom letzten Quartal – auch im Monat Mai. Dies wird auf die Umsetzung einer Studie der Universität Wien unter muslimischen Schülerinnen und Schülern und die mediale Berichterstattung dazu zurückgeführt. In dem Jahresbericht 2023 wird darauf hingewiesen, dass die Statistik helfen soll, Tendenzen darzustellen, die Zahl der tatsächlichen Übergriffe aber weitaus höher liege.

Khalil sprach von einer "besorgniserregenden Entwicklung", die zunehmend zu einer Spaltung der Gesellschaft beitrage. Dem antimuslimischen Rassismus müsse daher mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, fordert die vom Sozialministerium und der Stadt Wien geförderte Dokustelle. Es brauche mehr Bewusstsein, Workshops sowie Beratungen für Betroffene. (spri, 27.5.2024)