SP-Grossmann über Statuten: "Papier ist geduldig, und ich kann in Statuten hineinschreiben was ich will. Keiner wird so blöd sein, hineinzuschreiben: Wir bekennen uns nicht zur Demokratie. Oder: Wir verleugnen Religionsfreiheit."

Foto: Petra Spiola
Angriffe gegen die Demokratie, veraltetes Frauenbild, Kokettieren mit rechtsextremem oder revisionistischem Gedankengut: Für SPÖ-Jugendsprecherin Elisabeth Grossmann sind Organisationen wie der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) oder der Österreichische Pennälerring (ÖPR) "sicher nicht" förderungswürdig nach dem Bundes-Jugendförderungsgesetz. Der ÖPR bekommt danach über 14.000 Euro Basisförderung, der RFJ 109.000 Euro Basis- und Projektförderung. Grossmann stellte deshalb eine parlamentarische Anfrage an Ministerin Kdolsky, die diese, Grossmanns Ansicht nach, "unzureichend" beantwortet hat. Zur selben Zeit entschloss sich die steirische Bildungslandesrätin Bettina Vollath, dem RFJ Steiermark die Landesförderungen zu streichen . Wie sich sich ein novelliertes Förderungsrecht vorstellt, warum Statuten manchmal lügen und warum es eine Überprüfung der "laufenden Tätigkeit" geförderter Organisationen braucht, darüber sprach Grossmann mit derStandard.at. Das Gespräch führte Anita Zielina.

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derStandard.at: Wieso ist die Anfragebeantwortung durch Ministerin Kdolsky Ihrer Ansicht nach unzureichend?

Grossmann: Auf die einzelnen Vorwürfe wird nicht konkret eingegangen. Ich hätte mir von der Frau Bundesministerin schon gewünscht, dass zu den einzelnen Punkten, die genannt wurden, Stellung bezogen wird, eine Einschätzung abgegeben wird. Die Antwort beschränkt sich aber auf reine Formalismen und versteckt sich hinter der bestehenden Gesetzeslage.

derStandard.at: Inwiefern ergibt es Sinn, sich einfach auf den Gesetzestext zu berufen und keinerlei Wertung in der Anfragebeantwortung vorzunehmen?

Grossmann: Ich meine, dass man schon vom Ministerium aus eine Wertung vornehmen sollte und es nicht so im Raum stehen lassen sollte, wer Förderungen bekommt und wer nicht. Man kann nicht einfach nur die Statuten als Maßstab heranziehen. Papier ist geduldig, und ich kann in Statuten hineinschreiben was ich will. Keiner wird so blöd sein, hineinzuschreiben: Wir bekennen uns nicht zur Demokratie. Oder: Wir verleugnen Religionsfreiheit. Man kann Organisationen wirklich nur auf Grund ihres Handelns beurteilen.

Das passiert jetzt nicht, unter Berufung auf die bestehende Rechtslage. Zu unrecht: Ich meine, dass auch diese durchaus Handlungsspielräume offen ließe, das Bundes-Jugendförderungsgesetz nennt etwa als erstrebenswerte Zielsetzungen die Anleitung junger Menschen zu „Toleranz, Verständigung, friedlichem Zusammenleben“. Das sind durchaus auch Werthaltungen, die als gewisse Mindeststandards für Förderbarkeit vorhanden sein müssen.

derStandard.at: Und die sind in Fall RFJ und ÖPR nicht gegeben?

Grossmann: Nein, das sind sie sicher nicht. Die steirische Landesrätin Bettina Vollath hat da vorbildlich gehandelt: Da ist die steirische Expertengruppe beim Landesjugendbeirat, die die Tätigkeit des RFJ Steiermark genau unter die Lupe genommen haben. Nachdem trotz mehrerer Ermahnungen keine Distanzierung erfolgt ist, wurden die Förderungen eingefroren.

derStandard.at: Wer übernimmt dieses "unter die Lupe nehmen" bundesweit?

Grossmann: Die BeamtInnen in der Jugendabteilung des Familienministeriums. Das wäre auch eine wichtige Forderung: Eine überparteiliche Gruppe einzusetzen, die hier objektiv untersucht, die laufende Tätigkeit von geförderten Organisationen überprüft und bei Auffälligkeiten aktiv wird. Nämlich dann, wenn bedenkliche Äußerungen getätigt werden, die mit einem demokratischen Grundverständnis nicht vereinbar sind.

derStandard.at: Wie soll das Bundes-Jugendförderungsgesetz novelliert werden? Wissen Sie etwas über den Stand der Dinge?

Grossmann: Ja, ich bin auch eingebunden. Es gibt eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Jugendorganisationen, in der der dringende Wunsch nach Neuorganisation geäußert wurde. Da geht es erstens darum, dass auch inhaltliche Kriterien zur Beurteilung der Förderungswürdigkeit herangezogen werden. Zweitens geht es um den Umfang der Förderungen insgesamt: Es gibt immer mehr förderbare Organisationen, aber die Mittel sind insgesamt nicht größer geworden. Der Kuchen ist also derselbe, aber die Stücke werden immer kleiner.

derStandard.at: Wollen Sie auch an der Formulierung des Gesetzes etwas ändern? Oder geht es nur um die weitere Auslegung?

Grossmann: Wenn die Ministerin sich darauf beruft, dass sie aufgrund dieses Gesetzes nicht mehr machen kann, dann zeigt das schon, dass das Gesetz unzureichend ist, dass die Regelung zu schwammig ist. Da muss eine Reform her.

derStandard.at: Wobei man auch sagen muss: Nicht immer, wenn eine Ministerin/ein Minister so etwas sagt, geht es ums Gesetz, es könnte auch politischer Unwillen dahinter stecken.

Grossmann: Natürlich, aber in diesem Fall ist aus der Beantwortung schon herauszufiltern, dass der Wille an sich da wäre, aber der Handlungsspielraum eben nicht. Das halte ich der Frau Ministerin schon zu Gute. (Anita Zielina, derStandard.at, 29.08.2007)