Dagmar Hackl ist ab 1. Oktober 2007 Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien.

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"Wir müssen den Lehrern das Gefühl geben: Wir wissen, was ihr Wert seid." Dagmar Hackl hat viele Ideen, was die Ausbildung und Qualifikation von LehrerInnen angeht. Das ist auch gut so, denn Hackl ist ab 1. Oktober Rektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien. Mit derStandard.at sprach sie über die Probleme im Jahr der Gründung, Fähigkeiten, die die künftigen AbsolventInnen der PH haben sollten und über Eignungstests. Außerdem verriet Hackl im Gespräch mit Katrin Burgstaller, welche LehrerInnen sie sich für ihre beiden schulpflichtigen Enkeltöchter wünscht.

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derStandard.at: Frau Hackl, das Gründungsjahr der Pädagogischen Hochschule Wien geht bald zu Ende, die PH wird in Kürze eröffnet. Dem Vernehmen nach soll das Jahr der Gründung ja nicht gerade einfach gewesen sein ...

Hackl: Das Gesetz wurde ja erst im April 2006 erlassen. Mit 1. September 2006 wurde ich als Rektorin bestellt und ein Monat später die Gründungsrektoren. Das heißt, wir hatten genau zwölf Monate Zeit, die Gründung durchzuführen.

Wir hatten kein eigenes Budget, als mussten wir immer die Institutionen, die nun zusammengeführt wurden, bitten, uns die Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir hatten auch keine Rechtsmittel um Dinge umzusetzen, außer der Entwicklung der Hochschule. Alles andere mussten wir uns Erbitten: Personelle Ressourcen, finanzielle Ressourcen und die Mitarbeit der KollegInnen.

derStandard.at: Was hat Sie vor besonders große Herausforderungen gestellt?

Hackl: Sehr spät kam die Curricular-Verordnung, Verordnungen zu Studienzeiten und die Verordnungen zu verschiedenen Personalbereichen. Wer tatsächlich wann, welche Studiengebühren bezahlt, ist noch immer nicht ganz klar. Wir mussten das Verwaltungssystem auf die Software "PH-Online" aufbauen. Diese Software wurde jedoch in keiner Testphase getestet. Der Echtbetrieb ist die Testphase.

derStandard.at: Welche Frage ist konkret in Bezug auf die Studiengebühren noch offen?

Hackl: Wenn PH-Studierende zusätzlich an der Uni ein Vollstudium belegen, könnte momentan nur die Uni Studiengebühren einheben, die PH jedoch nicht. Wenn ein PH-Student an der Uni vielleicht nur zwei Stunden pro Woche studiert, an der PH jedoch ein Vollstudium absolviert, ist es für mich jedoch sehr schwierig nachzuvollziehen, warum die PH nichts von den Studiengebühren haben sollte. Auch wäre es unfair, wenn unsere Studierenden zusätzlich für die Uni noch Studiengebühren entrichten müssten. Das sind Anfangsschwierigkeiten, da werden wir bald eine gerechte Lösung finden.

derStandard.at: Jene StudentInnen, die noch in der Pädagogischen Akademie begonnen haben, müssen jetzt aber keine Studiengebühren bezahlen?

Hackl: Jene, die vor vier Semestern das Studium begonnen haben, unter der Voraussetzung keine Studiengebühren zu bezahlen, müssen auch jetzt keine Studiengebühren bezahlen.

derStandard.at: Dass es um die Lehrerfortbildung nicht gerade rosig bestellt ist, wird immer wieder kritisiert. In Wien wurde dieser Bereich in die PH eingegliedert. Was wollen Sie besser machen?

Hackl: Mir ist wichtig, dass die LehrerInnen das, was sie hier erfahren, in den nächsten Tagen auch im Unterricht umsetzen können. Im vergangenen Jahr hatte man im Pädagogischen Institut der Stadt Wien 80.000 TeilnehmerInnen. Die Lehrer nehmen Weiterbildungsangebote sehr wohl an.

derStandard.at: Inwiefern werden sich die Kompetenzen der AbsolventInnen der Pädagogischen Hochschulen von jenen der Pädagogischen Akademien unterscheiden?

Hackl: Die Pädagogische Akademie hat für ihre Zeit entsprechend LehrerInnen ausgebildet. Wir bilden die LehrerInnen für die zukünftigen Herausforderungen aus. Verstärkt möchte ich die Reflexionsfähigkeit der LehrerInnen vermitteln, die ja aus dem wissenschaftlichen Tun und Denken heraus entsteht. Wir können den LehrerInnen kein Standard-Rezept in die Hand geben. Wir müssen sie dazu befähigen, dass sie auf Situationen angemessen reagieren können, an die wir heute nicht einmal denken. Wir stellen bereits Stärken und Schwächen der Studierenden fest und bieten in weiterer Folge entsprechende Lehrveranstaltungen an.

derStandard.at: Die Eignungsfeststellungsphase, in der sich entscheidet, ob jemand für die Ausbildung an der PH zugelassen wird, wurde kritisiert, weil es sich um eine punktuelle Überprüfung der Fähigkeiten handelt. Wie begegnen Sie den Kritikern?

Hackl: An den Pädagogischen Akademien hat es schon immer Eignungsfeststellungstests gegeben, das ist nichts Neues. Die Eltern haben es sich verdient, dass jemand, der Lehrer werden will, etwa die Rechtschreibung beherrscht. Ich möchte als Mutter nicht im Turnunterricht in der Volksschule eine Lehrerin haben, die nicht dazu fähig ist, ein Kind an einem Turngerät richtig zu sichern. Es gibt Grundfähigkeiten, die jeder Lehrer und jede Lehrerin beherrschen muss. Der Lehrerberuf ist derart wichtig, dass sich die Studierenden schon vor der endgültigen Inskription fragen sollten, ob sie diesen Beruf aus einer Freude, mit Kindern zu arbeiten, wählen oder nicht.

Das Studium schafft wahrscheinlich jeder, es stellt sich nur die Frage: Was haben die Studierenden davon, wenn wir schon im Vorfeld aufgrund langjähriger Erfahrung wissen: Das kann nicht gut gehen. Das wichtigste ist, dass jemand gerne mit Kinder arbeitet. Ein brutales Testausleseverfahren wäre jedoch nicht in meinem Sinne.

derStandard.at: Welchen Lehrer oder welche LehrerInen wünschen Sie sich für ihre beiden schulpflichtigen Enkelkinder?

Hackl: Ich habe zwei verschiedene Enkeltöchter. Die eine braucht eine Lehrerin, die sehr kreativ mit ihr umgeht, die sie sehr fordert, die auf sie eingeht. Die andere braucht eine Lehrerin, die mehr in den mathematisch-logischen Teil hineingeht. Ich wünsche mir für beide eine sehr gute Lehrerin, aber eine jeweils andere. Den Rezeptlehrer gibt es nicht.

derStandard.at: Ist für die individuelle Förderung die Einführung der Gesamtschule notwendig?

Hackl: Ich glaube, dass dafür nicht die Schulart ausschlaggebend ist, sondern der einzelne Lehrer und die einzelne Lehrerin. Jedes Kind sollte individuell gefördert werden, egal, um welche Schulform oder um welchen Zeitpunkt der Schullaufbahn es sich handelt. Alles andere rundherum ist Organisation.

derStandard.at: Machen Sie sich darüber Gedanken, wie Sie das Selbstbewusstsein der zukünftigen LehrerInnen stärken können?

Hackl : Im Zuge einer OECD-Studie, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit für das Bildungsministerium für Österreich koordiniert habe, haben wir unter anderem auch mit LehrerInnen gesprochen. Wir sind draufgekommen, dass die Lehrer und Lehrerinnen viel zu oft das Gefühl haben, nicht viel wert zu sein. Im Prinzip kann man den Lehrern dieses Landes nicht genug dafür danken, dass sie noch da sind. Wir müssen den Lehrern das Gefühl geben: Wir wissen, was ihr wert seid. (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 17. September 2007)