Irgendwie ist alles noch so neu. Und alle freuen sich. Ministerin Doris Bures spricht von der „neuen Bundesregierung“, Klubchef Josef Cap von einem „Parlament neu“ – und davon, dass sich „einer in der Koalition ja um die Zukunft kümmern“ müsse. Nachsatz: „Und das sind wir.“ Bundeskanzler Alfred Gusenbauer steht dem nicht nach und präsentiert gleich seine Vision: Dass nämlich in absehbarer Zeit die Hälfte der österreichischen Bevölkerung einen akademischen Abschluss haben sollte – um möglichst vielen Menschen möglichst viele Möglichkeiten zu eröffnen. Und ohne (etwa in der Gesamtschulfrage) einen „antiquierten sozialen Dünkel zu pflegen“, wie er es implizit dem Koalitionspartner vorwirft.

Viel mag sich auf dieser Klausur aber keiner mit dem „retro-orientierten“ Regierungspartner beschäftigen – lieber schaut man mit verzücktem Blick in die Zukunft – etwa auf das Bild des Tesla- Roadsters, das der Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher in seine Powerpoint-Präsentation eingebaut hat: Schon nächstes Jahr soll dieser elektrogetriebene, extrem schnittige Sportwagen mit einer Reichweite von 320 Kilometern und einer Batterie, die in einer Minute zu 85 Prozent wieder nachgeladen ist, auf dem Markt sein. Und praktisch emissionsfreies Rasen ermöglichen; vorausgesetzt, er wird mit Ökostrom „betankt“.

Mit solchem Gefährt könnte Klimaschutz Spaß machen. Und wenn man die Gebäude saniert (was für die Hälfte des umbauten Raumes in Österreich ohnehin notwendig wäre), dann könnte man Energieeffizienz und Komfortsteigerung gleich kombinieren, schlägt Schleicher vor. Und erntet nicht nur vom zustän-digen Infrastrukturminister Werner Faymann Applaus. Vorausgesetzt, das funktioniere alles mit sozialer Ausgewogenheit – Klimaschutz durch einen Mobilitäts- und Komfortverzicht bei Beziehern kleiner Einkommen aufgrund drastisch gestiegener Energiepreise, mag sich Faymann nicht vorstellen.

Bundeskanzler Gusenbauer erst recht nicht. Gusenbauer legte seinen eigenen Auftritt bei der Klubklausur sehr grundsätzlich an, er unterfütterte das Tagungsmotto „Neue Wege in die Zukunft“, indem er Visionen von einer Wohlstandsgesellschaft ausmalte: Es werde eine Gesellschaft der Harmonie werden, in der Chancenorientierung, Leistungsorientierung und soziale Fairness in Balance stünden. Das habe nur wenig mit dem alten Sozialstaat zu tun, wie er bisher funktioniert habe und der Österreich zum viert-reichsten Land der EU gemacht hat, gab der Kanzler zu – aber wer viel erreicht habe, für den werde eben die Luft dünn. Daher greife er auch die (ursprünglich vom dänischen Ministerpräsidenten Anders Rasmussen formulierte) Forderung auf, dass jeder zweite Bürger einen Fachhochschul-, Hochschul- oder Uni-Abschluss erreichen sollte – was wiederum mit „überkommenen Denkstrukturen“ und der Behauptung, dass nur Elitenbildung das Land weiterbringe, nicht zusammengehen könnte.

In der Diskussion unter den Klubmitgliedern gab es weit gehende Zustimmung zu Gusenbauers Thesen, wobei aber durchaus daran erinnert wurde, dass diese Zukunft noch immer nicht begonnen habe: So verwies etwa der Niederösterreicher Peter Marizzi darauf, dass in Ternitz sieben Lehrstellensuchende auf einen Lehrplatz kommen – da sei nicht einmal an einen Lehrabschluss für alle, geschweige denn an eine akademische Qualifizierung zu denken.

Und immer wieder meldeten sich Frauen zu Wort, denen die vom Zukunftsforscher Peter Zellmann aufgezeigten Entwicklungen (etwa dass eine völlige Gleichstellung der Frauen zwei Generationen dauern kann und wir gerade am Ende der ersten Halbzeit wären) zu langsam gehen. „Ein bisserl mehr Radikalität in der Einkommensfrage tut uns allen gut“, meinte etwa die Abgeordnete Sonja Ablinger. (Conrad Seidl aus Villach/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2007)