Nostalgikern, die Christian Pronays stilles Quartiergeben in Konzerthauskeller und Künstlerhaustheater durchaus zu schätzen wussten, wird der frische Wind der Weltläufigkeit mit viel Verve eingehaucht. Die "brut"-Macher verfügen über ein mehr als verdoppeltes Budget von knapp 1,8 Millionen Euro - man verhandelt mit dem Bund über die Gewährung von weiteren 220.000 Euro. Andreas Mailath-Pokorny (SP) deutete zudem an, dass mit der baldigen Ausrufung des Meidlinger Kabelwerks zum Produktionshaus die Wiener Theaterreform endgültig in die Zielgerade einbiegen könnte.
"brut" - was man je nach semantischer Laune als Fruchtbarkeitsbegriff oder als Sektprickeln deuten darf - wird am 9. November mit einer 36-Stunden-Party eröffnet.
Mit einer Bustour (Insektenbelustigung oder Im Land der Rieseninsekten) der Künstlergruppe "Club Real" gleitet man zwanglos in einen von mehreren Themenschwerpunkten hinüber. In "Jung bleibt Alt" widmet man sich der Generationenforschung, in "Roböxotica" beäugt man atemlos die Schnittstelle von Technologie und Menschsein, in "Apparat Film" werden cinematografische Wahrnehmungsgewohnheiten szenisch untersucht.
Die Einberufung zahlloser internationaler Künstler dokumentiert unausgesprochen einen Nachholbedarf an versiertem Off-Know-how. Der Flame Benjamin Verdonck macht ebenso seine Aufwartung wie die gebürtige Libanesin Lina Saneh; der Berliner Choreograf Martin Nachbar bittet den eigenen Herrn Papa auf die Bühne, die Künstlergruppe God's Entertainment treibt Altersforschung in einem Geriatriezentrum, Tanzkünstlerin Doris Uhlich entwickelt ihre Arbeit mit Senioren und Seniorinnen weiter.
Man wird sich an Theaterballetten ferngesteuerter Roboter (gold extra) ebenso ergötzen können wie am Funktionieren technischer Geräte (Paul Granjon). Vieles scheint möglich im herausgeputzten Künstlerhaustheater - kommende Bemühungen kreisen rastlos um "Gender"-Fragen sowie um die Bedingungen zeitgenössischen "Erzählens".