Angriff an zwei Fronten: Dienstagabend formierte sich auf Initiative der Grünen Protest gegen die Asylpolitik der Regierung auf der Straße. Am Mittwoch verlagert die Partei ihre Offensive ins Parlament. In einer Sondersitzung fordert sie einen Abschiebestopp.

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Wien - Die Grünen rüsteten sich für die Demonstration am Dienstagabend sogar mit einem eigens kreierten Symbol am Revers: Die Parteispitze, Bundessprecher Alexander Van der Bellen und seine Stellvertreterin Eva Glawischnig, zeigte sich mit einer grün-weißen Schleife: Einem "Human Ribbon", das in Anlehnung an das Red Ribbon, das weltweite Symbol für Solidarität mit HIV-Infizierten, Unterstützung für jene Asylhärtefälle in Österreich signalisieren soll, die derzeit von Abschiebung bedroht sind.

Für Punkt 18.00 Uhr hatten die Grünen zu einer ersten Protestkundgebung auf dem Wiener Minoritenplatz aufgerufen, wo der Integrationshauschef und Musiker Willi Resetarits und die Autorin Marlene Streeruwitz Reden gegen die rigide Fremdenpolitik der großen Koalition hielten. Mit am Podium war auch die Präsidentin der Katholischen Aktion Luitgard Derschmidt.

Aus den Ländern waren mit Bussen Demonstranten herangekarrt worden. Wenig später zogen die Teilnehmer in Scharen zum Ballhausplatz, vor das Bundeskanzleramt, weil Alfred Gusenbauer (SPÖ) in den letzten Tagen mehrmals behauptet hatte, gegenüber der harten Abschiebepraxis von Innenminister Günther Platter (ÖVP) ohnmächtig zu sein. Dessen Amtssitz in der Herrengasse war eigentliches Ziel des Protestzuges. Nach weiteren Künstleransprachen sowie Grußbotschaften von Prominenten ergriff zum Abschluss Grünen-Chef Van der Bellen das Mikro. Seine Kernbotschaft hatte er schon am Vormittag formuliert: "Schwarz und Rot exekutieren derzeit blaue Politik mit Eiseskälte." Die ÖVP - allen voran Vizekanzler Wilhelm Molterer und Klubobmann Wolfgang Schüssel - deckten "den widerwärtigen Kurs von Platter voll ab", die SPÖ agiere "scheinheilig".

Kurz zuvor hatten die Sozialdemokraten bei ihrer Klubklausur in Villach einen neuen Vorschlag für Asylfamilien präsentiert. Klubchef Josef Cap schlägt dem Innenminister nun vor, eine eigene Arbeitsgruppe einzusetzen, die ältere Asylfälle überprüfen soll, um gegebenenfalls einen Aufenthaltstitel aus "humanitären Gründen" zu empfehlen. Zunächst sollten jene mehrere hundert Fälle durchleuchtet werden, bei denen der Erstantrag bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt, aber noch keine endgültige Entscheidung über die Gewährung von Asyl gefallen ist.

Auf die Frage des Standard, ob eine solche Expertengruppe nicht in Konkurrenz zum neu zu schaffenden Asylgerichtshof stünde, meinte Cap, dass hier keine Hintertüre für illegale Einwanderung geschaffen werden dürfe, dass aber "humanitäre Fragen primär zu prüfen" wären. Kärntens SPÖ-Vorsitzende Gaby Schaunig wiederum sprach sich für ein Erwerbsrecht für Asylsuchende aus. Und in Wien wehrte sich Bürgermeister Michael Häupl gegen den Vorschlag des oberösterreichischen Landesrates Josef Ackerl (SPÖ), doch ein automatisches humanitäres Bleiberecht für Familien einzuführen. "Ackerl fühlt richtig", aber: "Eine Generalamnestie" könnte dazu führen, dass "auch verurteilte Straftäter bleiben dürfen", befürchtet er.

Geheime Abstimmung

Davon völlig unbeeindruckt erklärten die Grünen den Mittwoch "zum Tag der Wahrheit". In einer Sondersitzung des Nationalrates möchten sie die Regierungsparteien auseinanderdividieren. In zwei Anträgen wird ein sofortiger Abschiebestopp sowie die juristische Klärung des Bleiberechts gefordert. Gegen Innenminister Platter bringen die Grünen außerdem einen Misstrauensantrag ein - und setzen dabei auf eine geheime Abstimmung. Diese solle allen Abgeordneten die Chance bieten, aus dem Klubzwang auszuscheren, hieß es. Ein Mandatar hat bereits seine Unterstützung zugesagt: Nämlich der liberale Einzelkämpfer in den SPÖ-Reihen, Alexander Zach. (cs, nw, pm/DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2007)