Wien – „Seit Jahren wird Symptombekämpfung betrieben, anstatt bildungspolitische Konzepte auf die Beine zu stellen“, meinte ÖH-Vorsitzender Hartwig Brandl beim „UniTalk“ am Freitag, in Richtung Wissenschaftsminister Johannes Hahn (VP) und SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal.

Zudem fanden sich Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuni und Vorsitzender der Rektorenkonferenz, sowie Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft auf dem Podium des vollen Hörsaals II des NIG ein.

„Zu viele Studierende, zu wenig Akademiker?“ titelte die von Standard und „Uni-Screen“ organisierte Veranstaltung. UniStandard-Koordinatorin Louise Beltzung moderierte. Als bekennender Verfechter des geregelten Zugangs wies Badelt auf die soziale Diskriminierung durch den offenen Hochschulzugang mit seinen „darwinistischen Zuständen“ hin. Man solle die „juristische Perspektive“ verlassen, es gehe nicht um Gesetze, sondern Kapazitäten. Bis 2009 bekämen die Unis über 500 Millionen Euro mehr, verkündete Hahn. „Mit 40 Prozent mehr Studienanfängern kann die Infrastruktur aber nicht so schnell mitwachsen.“

„Warum denken wir bei Lenkungsmaßnahmen an Beschränkungen und nicht an Stipendien?“, fragte Broukal. Er brach eine Lanze für das ÖVP-Perspektivenpapier, das „das gelobte Land“ verspreche: „Zukünftig keine Beschränkungen, Studieren nach Neigung, Steigerung des Budgets für tertiäre Bildung“.

Die Studieninformation in Schulen müsse – so waren sich alle einig – verbessert werden. „Die meisten orientieren sich in der Studienwahl nach ihrem Interesse“, sieht Schneeberger Handlungsbedarf in der Mittelstufe, wo „durch Mangel an Physik- und Chemielehrern keines geweckt würde.“ Hahn setzt auf „Tutoring“ in den siebenten Klassen.

Fehlorientierung junger Menschen erfolge auch in der Debatte um Akademikerquoten, sagte Schneeberger. Diese seien international wegen der Unterschiedlichkeit der Ausbildungen schwer vergleichbar, für Österreich werde ein unrealistischer Mangel postuliert.

Rostige Flugzeugträger

Großes Thema war auch der „Paradigmenwechsel“ in der Universität: „Wir müssen mit Humboldt brechen, um ihn neu definieren zu können“, sagte Hahn. Der wissenschaftliche Aspekt sei beim Bachelor hinter den berufsausbildenden gerückt. Raum soll die Wissenschaft im Master-Studium bekommen – eine Trennung, die ÖH-Chef Brandl für problematisch hielt.

„Wir versuchen einen rostigen Flugzeugträger zu wenden“, sagte SP-Wissenschaftssprecher Broukal bezüglich Bildungspolitik: „Vorerst werden wir ihn nur neu streichen oder Fahnen hissen können.“ – „Aber wir haben neue Abfangjäger“, konterte da Wissenschaftsminister Hahn. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2007)