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Andreas Vitásek als "Weinberl"

Foto: APA/Techt
Wien - Selbst die überzeugteste Kommerzlerseele will einmal nicht mehr nur mit blöden Zahlen rechnen. Sondern mit dem Leben! Exakt im Moment des Karrieresprungs befällt den zum Teilhaber einer Gewürzhandlung aufgestiegenen Weinberl (Andreas Vitásek) das bittersüße Verlangen nach Erfahrung. Die neue Position im Räderwerk der biedermeierlichen Gewerbebranche möchte auch "erfühlt" werden. Heute bucht man ein zweitägiges Erfahrungsseminar etwa im Kobernaußerwald, anno 1842 folgt Weinberl mit seinem Commis Christoph (lebhaft: Katharina Straßer) blindlings den diffusen Vorstellungen vom Abenteuer Großstadt.

Moderiertes Spiel

Intendant und Regisseur Michael Schottenberg reiht in der zu den Knüllern der Nestroy-Literatur zählenden Posse Einen Jux will er sich machen das Abenteuer weit vor dem Räsonnement. So hegt der im knappen Sonntagsanzug steckende Weinberl (Vitásek) zu keiner Minute auch nur den geringsten Zweifel. Im Gegenteil: Vitásek ist der Fred Astaire unter den Weinberls. Sein Jux wird ein kokett vollführter Triumphzug, der von Anfang an die anderen blöd aussehen lässt. Die lustig gereimten Couplets hat er selbst geschrieben, und so wie er es als Solokünstler gewohnt ist, besteht unentwegt die Gefahr der Selbstmoderation. Die allerdings gegen Ende des dreistündigen Abends erfreulicherweise abnimmt.

Die augenzwinkernde Attitüde brachte das Stück bei der Premiere am Freitag im Volkstheater immer wieder zum Erliegen. Mit Charme knackt man nun einmal keine Nestroy-Nuss.

Die Angst, ein Geschäftslokal, das man soeben vom Chef für ein paar Tage überantwortet bekam, aus persönlichen Freizeitbedürfnissen spontan links liegen zu lassen, steht paradoxerweise in den Gesichtern der anderen zu lesen: Thomas Kamper mit ausgestopftem Bauch verleiht dem Herrn Zangler famos die Konturen eines (an der Ökonomie oder an der bevorstehenden Ehe) verzagenden Nervenbündels. Dessen Diener Melchior zwirbelt Erwin Ebenbauer herrlich zu einer trübtassigen, aber um nichts weniger vorlauten Erscheinung.

Und weil Schottenberg sonst nicht viel eingefallen ist, interpretiert er Frau von Blumenblatt (Johanna Mertinz) als Jelinek-Karikatur. Keine aufdringliche Entscheidung, dennoch eine fein geschmiedete Szene im Großstadtsalon, in dem sich sämtliche einander zugetanen Herzen friedlich finden. Das Taubenblau der variablen Holztafelwände von Bühnenbildner Hans Kudlich tat hier das Seinige dazu. (Margarete Affenzeller /DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2007)