Braumeister Andreas Werner

Großbrauereien stehen unter dem Generalverdacht, einem imaginären Mainstream nachzubrauen. Es gibt Bierfreunde, die sich dazu versteigen, die Biere der großen Brauer für generell untrinkbar zu erklären. Es schmecke ja ohnehin alles gleich. Tatsächlich sind gerade die untergärigen Biere desselben Stils einander meist sehr ähnlich, weil die meisten davon mit derselben Hefe vergoren werden.

Es gehört also gewisser Mut dazu, wenn eine Brauerei ihr Spitzenprodukt vorstellt und es einer Runde von Fachjournalisten inmitten von einem Dutzend anderen Bieren der gleichen Kategorie zur Verkostung empfiehlt. Genau diesen Mut hat Braumeister Andreas Werner, zuständig für die Brauereien Göss, Puntigam, Falkenstein und Schladming, aufgebracht, als er Ende letzter Woche zum Pils-Semiar eingeladen hat.

Erst gab es sein Jahrgangspils 2007 im Vergleich mit einem ebenfalls frisch und nach demselben Rezept gebrauten Jahrgangspils mit dem Hopfen aus dem Jahrgang 2006: "Bitte gut merken, wie das Jahrgangspils 2007 schmeckt." Denn in der nächsten Verkostungsrunde gab es für jede Gruppe der eingeladenen Bierverkoster jeweils vier Biere, darunter solche aus relativ kleinen Brauereien (Grieskirchner Pils, Murauer Pils, Trumer Pils), andere aus sehr großen (Jever, Pilsner Urquell, Krombacher) und sogar das Zipfer Pils aus dem eigenen Konzern. Aber natürlich "blind", also in neutralen Weingläsern.

An meinem Tisch war leicht zu erkennen, welches Bier nicht das Jahrgangspils sein konnte: Das dunkel-goldgelbe bis bernsteinfarbene Bier würde man überhaupt nicht in die Pils-Kategorie einordnen - wenn man nicht aus Erfahrung (und anhand des typischen Buttergeruchs) wüsste, dass es sich dabei nur um das Pilsner Urquell, also die Mutter aller Pils- und Pilsener-Biere handeln kann.

Aber die anderen drei? Farblich waren sie fast gleich - aber die Nase verriet recht deutliche Unterschiede: Probe eins hatte etwas floral-grasige Noten, die zweite Probe war deutlich weniger aromatisch und die dritte hatte einen wunderbaren kräuterartigen Duft.

Aha, schon dem Geruch nach die interessanteste, pilsigste Probe!

Also flott gekostet und ein wenig mit den Tischnachbarn diskutiert: Wie hat das Jahrgangspils denn geschmeckt? Wir hatten ja Verkostungsnotizen aus der vorherigen Runde - aber passten die perfekt auf eines der Biere? Klar, die Nummer drei war das intensivst gehopfte Bier - doch selbst wenn das Jahrgangspils seinen besonderen Hopfencharakter unterstreicht, ist es dann vielleicht doch nicht ganz so hopfig? Oder die erste Probe? Doch erheblich weniger intensiv in der Nase, dafür diese leichte Fruchtigkeit im Nachtrunk. Und Probe zwei - dieses leicht zu trinkende, schlanke Pils? Sehr angenehm, sehr sortentypisch und schlank; aber eben zu schlank, um mit dem Jahrgangspils verwechselt zu werden. Bleiben die Nummern eins und drei. Drei käme dem Ideal eines Pils am nächsten - aber schließlich ist es doch etwas intensiver als das, was in den Verkostungsnotizen der ersten Runde als typisch für das Jahrgangspils notiert war.

Also war das Jahrgangspils die Nummer eins. Sechs Verkoster werden sich nach kurzer Diskussion einig. Und an den anderen drei Tischen geht es ebenso: Auch dort wird die Jahrgangspils-Diskussion - oft knapp, aber letztlich eindeutig - jeweils korrekt entschieden; man kann also ein Pils vom anderen unterscheiden. Und es lohnt, sich selber dem Vergleich auszusetzen. (Bierpapst Conrad Seidl)