Wien - "Wenig Neues" findet ÖVP-Bildungssprecher Fritz Neugebauer im heute, Mittwoch, vorgelegten Papier. "Das meiste wurde in den letzten Jahren eingeleitet und zum Teil umgesetzt", so Neugebauer. Die Grünen befürworten dagegen die Stoßrichtung der Experten, auch die Industrie sieht darin eine solide Basis für die notwendige Weiterentwicklung des Schulsystems. Kritik kommt dagegen von FPÖ und BZÖ. Bildungsministerin Claudia Schmied hat sich vor dem Ministerrat am Mittwoch zu den Vorschlägen der Expertenkommission zur Schulreform noch zurückhaltend gezeigt. Sie bekräftigte, dass die Noten nicht abgeschafft werden und sie für ein Kurssystem statt Sitzenbleiben sei.

Schmied für Kurssystem statt Sitzenbleiben

Die heute präsentierten Vorschläge der Expertenkommission kommentierte Schmied vorerst zurückhaltend. Sie bekräftigte, dass die Schulnoten nicht abgeschafft werden, damit die Schüler nicht den Anschluss an das Regelschulwesen verlieren. Die Einführung eines Kurssystems statt Sitzenbleiben findet Schmied nach wie vor gut. Es sei auch aus ökonomischer Sicht nicht zielführend, wenn Schüler ein ganzes Jahr verlieren. Welche Vorschläge dann konkret machbar und umsetzbar seien, werde sich erst zeigen. Davor würden noch Gespräche mit den Bundesländern und Lehrern geführt.

Modell-Regionen

Wie viele Regionen schon ab 2008 mit den neuen Schulversuchen beginnen werden, wollte Schmied nicht einschätzen. Eine Woche nach Beschlussfassung sei es für Zahlen noch zu früh. Ihr sei jedenfalls eine gute Vorbereitung wichtig, so Schmied im Hinblick darauf, dass mehrere Regionen für das kommende Schuljahr schon abgesprungen sind.

Hahn: Vorschläge nicht "sonderlich spektakulär"

Wissenschaftsminister Johannes Hahn bezeichnete die bisher bekanntgewordenen Vorschläge der Expertenkommission als nicht "sonderlich spektakulär". Er sprach sich für eine Beibehaltung des Notensystems aus. Dass in den Klassen zwei Lehrer parallel unterrichten sollen, findet Hahn gut. Der Wissenschaftsminister hat auch nichts dagegen, Alternativen zum Sitzenbleiben auszuprobieren. Wenn sich ein derartiges Modell bewährt, sei es ihm recht, so Hahn. Der Wissenschaftsminister meinte jedoch, dass es viele der jetzt genannten Ideen bereits gebe.

"Als großen Knackpunkt" sieht Hahn den Übergang von der Volksschule in die Sekundarstufe I. Derzeit würde die Entscheidung, ob ein Kind in die Hauptschule oder die AHS-Unterstufe kommt, auf Basis der Beurteilung vom Lehrer in der Volksschule abhängen. Hahn fände es aber sinnvoll, wenn auch die aufnehmenden Lehrer oder ein unabhängiger Dritter mitreden würden. Von Aufnahmeprüfungen hält er allerdings nichts. Darauf angesprochen, dass dieses Übergangsproblem durch eine gemeinsame Schule gelöst werde, meinte Hahn, er sei froh, dass man jetzt entsprechende Schulversuche starte. Die Frage sei nun, ob die Betreuung von verschiedenen Begabungen in einem Klassenverband möglich ist.

Neugebauer: Wenig Neues

Neugebauer verweist darauf, dass ergänzende Leistungsbeurteilung, Individualisierung des Unterrichts, frühe Sprachförderung im Kindergarten, Mehrstufenklassen in kleinen Volksschulen, fächerübergreifender Unterricht, etc. bereits umgesetzt seien. All die Vorschläge der Kommission hätten "nichts mit der Schulorganisationsform zu tun". Viele seien "bereits realisiert oder können sofort für alle Schulen eingeführt werden", so Neugebauer, der auch kritisiert, dass die Kommission auf den Beitrag von erfahrenen Lehrern und Eltern verzichte.

Niederwieser: "Kompakte Vision"

Für SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser ist der Bericht dagegen "eine kompakte Vision einer neuen Schule, an der künftig gemessen werden kann, ob die Richtung der Veränderungen stimmt". Er geht davon aus, dass für die Umsetzung vieler Vorschläge gesetzliche Änderungen nötig seien, deshalb gehe es auch darum, "den Koalitionspartner und die Schulpartner von der Richtigkeit der Vorschläge zu überzeugen".

Brosz: Zentrale Punkte zur Verbesserung

Für den Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz, beinhalten die Vorschläge "zentrale Punkte für eine Verbesserung des österreichischen Schulsystems". Es sei hoch an der Zeit, sachlich über Alternativen zur hohen Zahl an Klassenwiederholungen zu diskutieren. Enttäuschend findet Brosz die "verhaltene und vorsichtige Reaktion" von Schmied. "Es macht wenig Sinn, wenn mutige Vorschläge wie verbale Beurteilungen gleich von vornherein abgelehnt werden", so Brosz.

Graf: weltfremdes Experimentalschulsystem

FPÖ-Bildungssprecher Martin Graf ist "erstaunt" darüber, dass es keine Schulnoten und kein Sitzenbleiben geben soll. Er befürchtet, dass Kinder aus Schulversuchen den Anschluss an das Regelschulsystem verlieren. Der Regierung schreibt Graf "für dieses weltfremde Experimentalschulsystem ein deutliches Nein in ihr Pensenbuch."

BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner forderte, dass sich die wichtige innere Differenzierung auch in Noten ausdrücken müsse, eine verbale Beurteilung sei nur ergänzend vorstellbar. Kritik übt Haubner an der von Schmied geplanten Info-Kampagne. "Es ist zu befürchten, dass hier eine teure Regierungslobhudelei stattfinden soll anstatt Eltern und Schüler objektiv zu informieren", so Haubner.

Nach Ansicht des Generalsekretärs der Industriellenvereinigung (IV), Markus Beyrer, könnten die Maßnahmen - richtig gemacht - eine umfassende Erneuerung ermöglichen. "Der Elchtest kommt freilich mit der Umsetzung. Hier gilt es, sich nicht in ideologischem Zwist zu verlieren, sondern das Endprodukt - die bestmögliche Ausbildung für die Jugend - im Blick zu behalten". (APA)