"Die Konkurrenz um Topforscher ist heute global. Es gibt ein paar solcher Leute an österreichischen Unis. Aber die wollen wir ihnen nicht wegnehmen." Haim Harari, Vorsitzender des I. S. T.-Exekutivkomitees.

Foto: Regine Hendrich
Was wird eigentlich aus Gugging? Haim Harari, Vorsitzender des Exekutivkomitees, gibt Klaus Taschwer Auskunft darüber, was in den letzten Monaten geschah, welche Wissenschafter man sucht und in welchem Verhältnis das I. S. T. zu den Universitäten steht.

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Standard: Bevor wir über den Stand der Dinge in Gugging reden - wie heißt denn das Institut nun eigentlich offiziell?

Harari: Die offizielle Bezeichnung lautet - englisch ausgesprochen - I. S. T. Austria, also Ei-Es-Ti, was für Institute of Science and Technology steht. Wir sind alle Möglichkeiten durchgegangen, und das war die beste Lösung.

Standard:  Was ist mit Ista?

Harari: Ista werden manche weiter sagen, und das ist auch okay. Es heißt aber jedenfalls nicht Ist-Austria. Denn zum M. I. T., dem Massachusetts Institute of Technology, sagt man ja hier auch nicht Mit.

Standard: Viel hat man vom I. S. T. in den vergangenen Monaten nicht gehört. Was ist denn zuletzt so alles passiert?

Harari: Eine ganze Menge. Vor allem haben wir mit der Suche nach dem Präsidenten und den Wissenschaftern begonnen. Bevor wir die ersten Forscher verpflichten, müssen viele wichtige Vorentscheidungen getroffen werden. Die sind wissenschaftlich nicht allzu interessant, aber absolut nötig. Und diese ganzen Vorarbeiten sind sehr aufwändig, denn bei einem ganz neuen Institut muss ja alles quasi neu erfunden werden.

Standard: Was zum Beispiel?

Harari:Zum Beispiel, welche Positionen, welche Gehälter und welche Pensionsvereinbarungen man den Forschern anbieten kann. Es müssen aber auch Vorentscheidungen über das Energiezentrum des Campus, über geistige Eigentumsrechte, die ersten Gebäude getroffen werden und und und. Das Schwierige ist, dass man dabei keine Fehler machen darf. Denn mit solchen Fehlern müsste man dann jahrelang leben.

Standard: Was bereits entschieden wurde, sind die drei wissenschaftlichen Schwerpunkte des I. S. T., nämlich erstens der Zwischenbereich zwischen Hirnforschung und Computerwissenschaften, zweitens theoretische Biologie und die Schnittstelle hin zur Physik sowie fortgeschrittene Materialforschung. Warum gerade die?

Harari: Vorweg muss betont werden, dass wir uns nicht ausschließlich auf diese drei Themenfelder konzentrieren werden. Wir sind im Prinzip offen für Spitzenforscher aus allen naturwissenschaftlichen Bereichen. Wenn wir morgen einen herausragenden Mathematiker oder Astrophysiker anstellen könnten, dann wären wir hocherfreut.

Standard: Warum haben Sie dann trotzdem diese drei Felder ausgewählt?

Harari: Das hat gewissermaßen soziologische Gründe. Bei den Forschungsbereichen geht es darum, eine kritische Masse zu bilden. Wenn wir nämlich einen hervorragenden Forscher haben, dessen Arbeitsbereich mit keinem anderen zu tun hat, kann es zur Isolation dieses Wissenschafters kommen. Deshalb grenzen die Schwerpunkte, für die wir uns entschieden haben, an viele andere Forschungsbereiche. So haben wir einfach viel mehr Möglichkeiten, interessante Leute zu finden, die den anderen in den Kaffeepausen etwas zu erzählen haben und kooperieren können.

Standard:  Wie sieht es denn mit der Suche nach diesen interessanten Leuten aus?

Harari: Wir bieten zwei Typen von Stellen an: für Professoren und für unabhängige Jungforscher, die formal Assistenzprofessoren sind. Insgesamt sind bereits mehr als 400 Bewerbungen aus aller Welt eingegangen. Viele davon von Österreichern, die im Ausland tätig sind. Einige Bewerbungen sind herausragend, einige schlecht, und viel liegt irgendwo dazwischen. Die Bewerbungen gehen an internationale Komitees, die diese prüfen. Und wir hoffen, dass wir die ersten I. S. T.-Forscher in den nächsten Monaten auswählen werden.

Standard: Wie viele Leute sollen in der ersten Runde verpflichtet werden?

Harari: Der Himmel ist die Grenze. Oder besser: die Qualität der Leute. Wir haben für den Anfang überproportional viel Budget im Verhältnis zu dem, was an laufenden Kosten anfällt. Die Herausforderung besteht darin, echte Topforscher zu finden, und nicht das Geld für sie. Wir möchten mit fünf bis zehn Forschungsgruppen beginnen. Wenn wir zwanzig Spitzenleute finden sollten, beginnen wir mit zwanzig.

Standard: Wie schwierig ist es, solche Leute zu kriegen?

Harari: Die Konkurrenz um Topforscher - und damit meinen wir Wissenschafter, die auch Direktoren eines Max-Planck-Instituts sein könnten oder Professoren an internationalen Topuniversitäten weltweit - ist heute global. Es gibt ein paar solcher Leute an österreichischen Universitäten. Aber die wollen wir den Unis nicht wegnehmen.

Standard: Wie wichtig ist für solche Forscher die Bezahlung?

Harari:Das hängt sehr von der Person ab. Viele Wissenschafter schauen weniger auf ihr Geld als auf das Budget ihrer Arbeitsgruppe, auf die Infrastruktur und auf die anderen Kollegen des Instituts. Natürlich will niemand für wenig Geld arbeiten. Aber das Geld soll nicht der Hauptgrund sein, hierher zu kommen. Und wir wollen nicht die Universitäten ausstechen, zumal ja auch die das Geld vom Staat bekommen. Das wäre unfair.

Standard: Rund um die beiden deutschen Nobelpreisträger gab es kürzlich die Diskussion, dass solche Spitzenforschung nur außerhalb der Unis möglich sei. Ist Spitzenforschung an den Unis unmöglich geworden?

Harari:Zum Ersten: Nobelpreise sind ein Fall für schlechte Statistik. Auf der Basis von Nobelpreisen kann man alles Mögliche behaupten. Zum Zweiten: Man kann ausgezeichnete Forschung überall betreiben. In den USA ist das offensichtlich. Da gibt es hervorragende Unis wie Harvard oder Stanford, aber auch hervorragende Institute wie das Princeton Institute for Advanced Study.

Standard: Aber warum scheint das an den europäischen Universitäten nicht zu klappen?

Harari: Die europäischen Universitäten haben eine lange Geschichte der Staatsnähe und des Egalitarismus. Die haben zum Beispiel ihre Gelder nicht in Spitzenforscher investieren können. Deshalb sind die Max-Planck-Institute besser als die deutschen Unis. Das muss aber nicht notwendigerweise so sein.

Standard:  Was soll denn das I. S. T. von den Unis in puncto Qualität unterscheiden?

Harari: Man kann die Qualität einer Forschungsinstitution auf dreierlei Art messen: an der Qualität der besten Wissenschafter, des Durchschnitts und der Aufnahmeschwelle. Die Topqualität kann überall sehr hoch sein: Anton Zeilinger arbeitet ja auch an einer Uni. Der Unterschied zwischen dem I. S. T. und den Unis muss der Durchschnitt sein und die untere Schwelle. Die müssen am I. S. T. einfach höherliegen. (DER STANDARD Printausgabe, 21. November 2007)