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Ritzen Sie die Maroni mit einem scharfen Messer kreuzweise an, an der gewölbten Seite, dann bei 180 Grad für 20 Minuten ins Rohr.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Mit der Marone verhält es sich wie mit Fort Knox. Dieses lagert das Gold der Welt, jene das braune Gold des Waldes. Und niemand käme auf die Idee, eines von beiden mit bloßen Händen zu ergaunern: Knacken könnte schmerzhaft werden. Im Fall der Marone, einer veredelten Ausgabe der Edelkastanie, wehren sich drei bis fünf Millimeter Schale dagegen, die Nuss aus ihrem Fruchtbecher preiszugeben. Und wie schön diese ausschaut, wenn sie, frisch vom Baum geplumpst, aus der stacheligen Hülle geplatzt ist: wie ein Herz, manchmal wie ein Ei, mahagonifarbener Teint und glänzend, als wär's Edelmetall.

Hauruckmethode

Gibt nur ein Problem. Wie die Maroni aus der holzig-ledrigen Schale befreien, wenn wir sie nicht im Stanitzel beim Maronibrater kaufen? Sondern roh, unbehandelt, um aus der Frucht Beilagen für winterliche Speisen zuzubereiten - gebraten, püriert, kandiert, süß oder salzig? Weil uns die Evolution scharfe Zähne wegrationalisiert hat, über die andere Liebhaber der Esskastanie wie der Siebenschläfer verfügt, müssen wir unser, danke, Evolution!, großes Hirn bemühen - und zu Mitteln greifen, deren Verwendung uns von Tieren unterscheidet. Vielleicht die Hauruckmethode: Hammer nehmen! "Keine gute Idee", findet Joachim Gradwohl, Küchenchef beim Meinl am Graben. "Maroni müssen vorgegart sein, bevor man sie weiterverarbeitet, nur dann entwickelt sich auch der typische Duft." Denn der steckt in der Schale - die wir ja eigentlich loswerden wollen. Also gut, und weiter? "Ritzen Sie die Maroni mit einem scharfen Messer kreuzweise an, an der gewölbten Seite, dann bei 180 Grad für 20 Minuten ins Rohr", empfiehlt Gradwohl. Durch die Hitze platzt die Schale auf, und auch das Innere der Nussfrucht reagiert: Stärke wandelt sich in Zucker um, die Maroni schmecken süß.

Maronisuppe mit weißen Trüffeln

Einritzen bitte nicht vergessen, andernfalls explodieren Ihnen die Schalen. Nach dem Garen nicht die Finger an den heißen Früchtchen verbrennen, die allerdings unbedingt warm herausgeschält und von ihrer gerbsäurehältigen Haut befreit werden müssen. "Jetzt, zur Trüffelzeit", sagt Gradwohl, "ist eine Maronisuppe mit weißen Trüffeln gut. Aber da nehm ich die vorgeschälten Maronen aus dem Glas, sonst kriegt man ja alle Zustände." Vorgeschält?! Eh klar, Convenience-Foods machen auch vor Maronen nicht Halt. Wobei der Herr Gradwohl gut reden hat, wachsen ihm die vorgeschälten Dinger ja vom Meinl-Regal gleich in den Meinl-Topf. Sie wollen Ihre Fingernägel auch schonen oder sind schlicht zu faul zum Schälen? Dann ab zu Feinkost Böhle (Wollzeile 30, 1010 Wien), geschälte Maroni im Vakuumpack kaufen.

Dennoch gibt es Gerichte, bei denen frisch gegarte besser schmecken. Als Fülle zu Kapaun, als Schaum zu gebratenem Chicorée, als Schnee zu Physalis - und zu Wild. Küchenchef Gerhard Fuchs vom Kreuzwirt in Leutschach rät, Maroni zu glasieren. "In Butter anbraten, mit Zucker karamellisieren, Schuss Weinbrand dazu." Bei ihm bekommen die Maroni im Rohr noch ein feuchtes Tuch übergelegt, so brennen sie nicht an. Eine andere Möglichkeit, die edle Kastanie zu knacken, hält Tommy R. Möbius vom Restaurant Bauer in Wien bereit. "Topf mit wenig Wasser füllen, Gitter einsetzen, Maroni drauf. Der Dampf bläht die Schale auf." Wie lange das dauert? Je nach Qualität. Wassertest Schlechte Maroni sind zäh, lassen sich noch schwerer aus der Schale lösen. Erkennen lässt sich ihre Güte von außen, straff, glänzend, fest sollten sie sein. Und am Gewicht: Alte, wurmstichige Maroni sind leichter als frische. Im Zweifelsfall den Wassertest machen: Nach unten sinken die Guten, Schlechte bleiben oben. Möbius geht weg vom Trend Wild=süß. Zum Hirschkalbsrücken serviert er keine Preiselbeeren, sondern glasiert Maroni in Jus, "glänzend wie Pralinen". Wenn er sie zu Püree verarbeitet, arbeitet er nur zwei ganze Stücke ein und hobelt ein paar Streifen übers Fleisch. Denn Maronipüree sei schwierig: "Sieht schnell aus wie schon mal gegessen". (Mareike Müller/Der Standard/rondo/23/11/2007)