Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Sinologin an der Universität Wien, tritt für den Wettbewerb zwischen den Universitäten ein.

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"Was machen wir, wenn Gugging in fünf Jahren seinem Anspruch nicht gerecht wird?", diese Frage wirft Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Vizedekanin der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien und Vorstand des Instituts für Sinologie auf. Im Gespräch mit derStandard.at kritisiert sie, dass das I.S.T. Austria nicht im Wettbewerb zu den staatlichen Universitäten stehen wird. Dass etwa die Universität Wien bei besseren Leistungen die Gelder für die Elite-Uni nicht für sich beanspruchen könnte, findet sie "problematisch". Die Fragen stellte Katrin Burgstaller.

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derStandard.at: Was sagen Sie zur "Exzellenz-Initiative" in Deutschland?

Weigelin-Schwiedrzik: Universitäten sind immer sehr froh, wenn sie mehr Geld bekommen, als ursprünglich vorgesehen war. Wenn der Staat bereit ist, für die Forschung mehr Geld auszugeben, ist das ein positives Zeichen.

Aber es gibt auch problematische Aspekte. Bisher werden alle Universitäten gleichrangig betrachtet, in einzelnen Fächern gelten manche als besser als andere. Jetzt wird behauptet, dass das System in Deutschland nicht ein System gleichberechtigter Universitäten sei, sondern dass es ein in sich gestuftes System gibt, das sich in Exzellenz-Universität und Normal-Universität unterscheidet. Die Annahme, dass diese Universitäten Exzellenz-Universitäten sind, ist ein Konstrukt. Es entspricht nicht der Realität, dass diese Hochschulen auf allen Gebieten exzellent sind.

derStandard.at: Ist auch die Elite-Uni in Gugging in diesem Sinn ein Konstrukt?

Weigelin-Schwiedrzik: Da gibt es einen Unterschied. In Gugging wurde ausdrücklich eine Neugründung vorgenommen. Gugging beansprucht auch nicht, eine Gesamtuniversität zu sein, sondern das ist eine Stelle, an der sich herausragende Forschung in Österreich konzentrieren soll. Da kommen nur Leute hin, die aufgrund eines Auswahlverfahrens für besonders exzellent gehalten werden.

Ein neu gegründetes Zentrum für Exzellenzforschung kann eher dem Anspruch gerecht werden, ein Zentrum für Exzellenzforschung zu sein, als eine gewachsene Universität, die zwar bestimmte Qualitätskriterien aufweist, aber nie über das gesamte Fächer-Spektrum hinweg exzellent sein kann.

derStandard.at: Welche Probleme sehen Sie am Vorgehen in Deutschland?

Weigelin-Schwiedrzik: Exzellenzuniversitäten in Deutschland bekommen für eine bestimmte Phase Geld. Nach Auslaufen dieser Mittel müssen sie entweder weiter zusätzliche Gelder bekommen oder sie müssen versuchen aus ihrem bisherigen Budget den Betrieb weiter so aufrecht zu halten. Es wird in Deutschland zu Recht befürchtet, dass dann bestimmte Fächer mit weniger Mittel versorgt werden, um den Exzellenanspruch zumindest für manche Fächer aufrecht erhalten zu können.

derStandard.at: Wie ist es zu bewerten, dass sozusagen Universitäten unterschiedlicher Klassen forciert werden?

Weigelin-Schwiedrzik: In China und Amerika sind die Universitäten seit jeher gestuft. In Amerika gibt es die sogenannte Ivy League, das sind die ganz exzellenten Universitäten zu denen etwa Harvard und Princeton gehören. Und es gibt Universitäten, die nicht besser oder schlechter als normale Universitäten in Europa sind. Weiters gibt es Hochschulen, die sich im europäischen Vergleich relativ weit unten in der Rankingliste befinden. Sowohl in Amerika als auch in China ist man nie von der Grundidee ausgegangen, dass alle Universitäten gleichgestellt sind. Diese Idee halte ich für richtig.

derStandard.at: Halten Sie es für legitim, dass man einige wenige Einrichtungen mit verhältnismäßig viel Geld versorgt, während es an vielen staatlichen Unis an allen Ecken und Enden fehlt?

Weigelin-Schwiedrzik: Man muss sich natürlich überlegen, welche Auswirkungen das auf die existierenden Institutionen, die nicht als exzellent betrachtet werden, hat. Eine als exzellent ausgezeichnete Universität muss auch erst einmal beweisen, dass sie exzellent ist. Die zusätzlichen Mittel soll sie wirklich nur dann bekommen, wenn sie tatsächlich exzellent ist.

Andere Unis müssen die faire Chance haben, bei entsprechender Anstrengung von einer normalen Universität zu einer Exzellenzuniversität aufzusteigen.

Mit dem Gugging-System in Österreich ist das nicht so vorgesehen. Gugging ist keine gleichberechtigte Universität, denn die Universität Wien könnte Gugging nicht den Rang ablaufen, und Gugging das Geld wegnehmen, wenn sie sich als die exzellentere Universität herausstellen würde. Das halte ich für problematisch. Auch Gugging muss erst beweisen, dass es wirklich exzellent ist. Und dann stellt sich die Frage: Was machen wir, wenn Gugging in fünf Jahren seinem Anspruch nicht gerecht wird? (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 23. November 2007)