Bild nicht mehr verfügbar.

In den Archiven lagern Schätze aus der Biergeschichte.

Foto: seidl/Archiv
Kaum jemand, der mit dem Brauwesen zu tun hat, kann sich der Rührung erwehren, wenn er ein altes, in Kupfer gehaltenes Sudhaus sieht, wenn ihm unterkommt, wie in einer Brauerei vor 100 Jahren gewirtschaftet wurde oder gar wie ein Brauer versucht, historische Biere nachzubrauen. Und warum, bitte, pflegen wir diese Erinnerungen dann nicht ordentlich? Wobei wir uns ja schon dort schwer tun, wo wir uns bloß an historische Rezepte zu halten brauchten. Sind die wirklich in allen Mengenangaben korrekt? Oder ist bei späteren Transkriptionen vielleicht ein Umrechnungsfaktor falsch angewendet worden? Verstehen wir überhaupt, was da vor Zeiten im Braukessel gelandet ist? Seit beinahe 100 Jahren bemüht sich die Gesellschaft für Geschichte und Bibliographie des Brauwesens, solchen Fragen nachzugehen.

Oft finden wir Rezepte, die uns raten, alles "wie üblich" zu machen, aber bei dieser oder jener Zutat kräftiger (beziehungsweise sparsamer) zuzulangen und sie früher (beziehungsweise später) zuzugeben. Kann man nicht immer leicht nachvollziehen. Umso spannender ist es, dem genauer nachzugehen. Es gibt immer wieder Experten, die sogar aus dem Bodensatz irgendwelcher frisch ausgegrabener Tongefäße das darin früher aufbewahrte Bier nachzubrauen versuchen. Bravo! Und lasst mich bitte kosten!

Und selbst wenn es nichts zu kosten gibt: Es ist doch immer wieder interessant, die im 19. Jahrhundert geschriebenen Tagebücher von Brauern zu lesen, in denen der rasante Wandel vom handwerklichen zum industriellen Brauen dokumentiert ist. Oder die Firmengeschichten von Brauereien, die längst in größeren Konzernen aufgegangen sind. Aber dann gibt es auch wieder Brauereien, denen herzlich egal ist, was die Historiker herausfinden – allenfalls wenn es um Selbstdarstellung geht, wenn zu einer Firmenfeier eine Broschüre erstellt werden soll oder ein neues Produkt als "historisch verwurzelt" positioniert werden soll, wird auf alte Unterlagen und die Forschungsergebnisse jener zurückgegriffen, die diese Unterlagen aufarbeiten. So weit es eben der jeweiligen Marketingabteilung in den Kram passt – und soweit die eigenen Archive, die Fotobestände und die für unnötig gehaltenen Sudprotokolle gemeinsam mit dem nicht mehr aktuellen Bestand an Werbematerial nicht längst als unnötiger Ballast der Altpapierentsorgung übergeben worden sind.

Von den Kostensenkungs-Fanatikern wird nämlich gerne an der Tradition und an der Erforschung der Geschichte gespart. Mir ist das kürzlich aufgefallen, als ich bei der Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für Geschichte und Bibliographie des Brauwesens (GGB) mitbekommen habe, dass die Brauereien Jever, Holsten und Beck & Co. aus diesem honorigen Verein ausgetreten sind. Den Konzernmanagern ist nämlich herzlich egal, wo die Bierkultur herkommt – ihre Geschichte zu erforschen, erscheint ihnen als Luxus. Lohnt es, auf diesen Luxus zu verzichten? Ihren Aktionären können die Manager immerhin berichten, dass sie 150 Euro im Jahr eingespart haben. Ob sie darauf auch noch stolz sind? (Bierpapst Conrad Seidl)