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Die Sprache ist paradoxerweise eine der größten Hürden der Integration von Deutschen in Österreich. „Drei Worte“ würden genügen, um als Deutscher erkannt und in eine Schublade gesteckt zu werden.

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Wien – Es ist, wie wenn Briten nach Australien ziehen. Oder Franzosen Belgien betreten: Sie fühlen sich wohl, denn fast wie zu Hause. Nicht jedes Wort muss auf die Waage gelegt werden, denn schließlich spricht man ja dieselbe Sprache. Und der Gedanke an einen Kulturschock kommt einem zuerst nicht in den Sinn.

"Sie realisieren zunächst nicht, dass es nicht dasselbe Land ist." Ein typisches Verhalten von "dominierenden Nationen", analysiert Rudolf Muhr vom Institut für Germanistik an der Uni Graz.

12.238 deutsche Studierende waren im Wintersemester 2006 an Österreichs Unis inskribiert: Die größte Anzahl an deutschen Studenten verzeichnet die Uni Wien mit 3350. An allen Wiener Unis sind es 6422.

Deutsche sind nach Ex-Jugoslawen die zweitgrößte Migrantengruppen des Landes. Die Vielzahl an deutschen Studierenden – ob sie durch den Numerus clausus gezwungen oder freiwillig hergekommen sind – werden nach dem Abschluss nicht zurückgehen. "Viele machen bereits Praktika hier", meint Albert Kraler, Mitarbeiter des Österreichischen Forums für Migrationsstudien. Schon im Studium würden Deutsche ins Berufsleben integriert. Letztlich werden diese hier hängenbleiben, ist seine Prognose.

Es handelt sich um eine große Gruppe der heutigen und zukünftigen Gesellschaft und doch fehlt es an Untersuchungen zu ihrer Integration. Sie werden nicht als Migranten wahrgenommen, aber auch nicht als Einheimische. Sie bewegen sich in einem Zwischenraum.

Die Anfragen des Uni-STANDARD bei Migrationsforschern im deutschsprachigen Raum wirft folgendes Bild auf: In Österreich signalisiert man Interesse für das Thema, doch außer dem Verweis auf die Statistiken zur Anzahl der Deutschen in Österreich wusste kein Forscher von wissenschaftlicher Arbeit in diesem Feld. Man ist bei Deutschen "eher auf Anekdotisches" angewiesen, meinte Kraler.

Drei Worte genügen

Ein neues Projekt zu dieser Thematik startet an der Wirtschafts-Uni Wien im Rahmen der Problematik von "Konsumentenrassismus". "Vor allem praxisgetrieben" ist das Projekt von Phillip Nell, des Instituts für internationales Marketing und Management. Als Deutscher in Österreich hat er gemischte Erfahrungen.

"Drei Worte" genügen, um als Deutscher erkannt und in eine Schublade gesteckt zu werden, meint Nell. Ein weiteres Motiv zu seinem neuen Projekt sind Berichte über Konsumenten, die nicht von Deutschen bedient werden wollten. Sein Projekt zu "Konsumentenrassismus" ist breit angelegt, mithilfe von Diplomanden werden unterschiedliche Perspektiven beleuchtet. Viel thematisiert wurden deutsche Studenten medial: Doch von ihnen war als Problem die Rede, bestenfalls wurde der Systemzwang, aus dem viele Deutsche nach Österreich kommen, beleuchtet. Es fielen Begriffe wie "NC-Flüchtlinge", "Quotenproblem" und "Ansturm deutscher Studierende", doch tiefere Aspekte wurden von der Forschung und den Medien größtenteils nicht beleuchtet.

Eine gesellschaftliche Realität, die an den Unis aber klar spürbar ist. Auf Studivz.net, dem deutschsprachigen Pendant zum Online-Netzwerk Facebook, spiegelt sich die neue Lebensrealität an der Uni besser wider. Mit 1672 Mitgliedern ist die Gruppe "Deutsche Studis in Wien" die dominanteste unter allen einschlägigen Gruppen. In ihr werden Erfahrungen ausgetauscht und Stammtische organisiert. In ihren Foren wird thematisiert: Eine der größten Hürden bei der Integration ist paradoxerweise die Sprache. Man vergesse wegen dieser, dass man sich an Österreicher langsam herantasten müsse, wie sonst auch im Ausland.

"Die Deutschen werden sich aufgrund ihrer Aussprache schwer integrieren können", schließt sich Muhr dem an. Denn dominierende Nationen würden ihre Aussprache nicht anpassen. "Sie werden immer als Deutsche erkenntlich bleiben." Doch die Unterschiede liegen Muhr zufolge auch in der Art, sich auszudrücken. Der große Wert, der in Deutschland darauf gelegt wird, seine Meinung kundzutun, führe dazu, dass Österreicher diese als vorlaut wahrnehmen.

Weiters signalisiere man hierzulande mit Einleitungsfloskeln, dass es einem unangenehm sei, überhaupt jemanden zu belästigen. "Wir sind die Weltmeister des Konjunktivs. An der Stelle, wo wir 'könntest' sagen, steht in Deutschland 'kannst'." Österreicher hätten deshalb manchmal das Gefühl: "Die sind unendlich grob."

Vorsichtiger würde es der Sprachwissenschafter Rudolf De Cillia von der Uni Wien formulieren. Es gebe seines Wissens nach wenig Daten dazu. "Da ist man schnell beim Konstruieren von Stereotypen." Tatsache sei, dass Österreich seit 1945 versucht habe, sich von Deutschland abzugrenzen, auch durch die Sprachpolitik.

Eigenheiten annehmen

In Studivz-Gruppen fragen Abiturienten bei ihren Exilierten um Rat für den Umzug nach Österreich. Man müsse anfangs vorsichtig an die Kultur herangehen. Oft wird ein Aspekt genannt, den auch Muhr nennt. "Man muss seine Aussprache nicht ganz aufgeben, ich würde aber empfehlen ein paar österreichische Eigenheiten anzunehmen, um zu signalisieren: 'Ich bin eh da', und nicht: 'Ich bin da und will eigentlich nicht da sein'." Von Forschern ist ihre Integration noch wenig untersucht worden: Deutsche Studierende treffen auf die "Weltmeister des Konjunktivs". Die Folge derselben Sprache sind Missverständnisse beider Seiten. (DER STANDARD-Printausgabe, Louise Beltzung, Tanja Traxler, 11. Dezember 2007)