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Bilder von der Generalprobe zu "Hoffmanns Erzählungen" auf der Bühne der Volksoper.

Foto: APA
Wien – "Es ist schön, dass wir wenigstens zusammen ein Interview haben, wenn wir schon im Stück nie zusammentreffen. So sehen wir uns wenigstens einmal!", lacht Daniela Fally am Beginn des Gesprächs, zu dem sie sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen Kristiane Kaiser und Adrineh Simonian im Café Volksoper einfand.

Die drei Sopranistinnen verkörpern in der Neuproduktion von Jacques Offenbachs Fantastischer Oper Hoffmanns Erzählungen jene drei Frauengestalten, von denen die Geschichten der Titelfigur handeln: seine ehemaligen Geliebten, über die sein Freund Niklaus befindet, alle drei seien für Hoffmann in der Sängerin Stella vereint.

"Im Grunde sind wir ein und dieselbe Person, obwohl wir uns nicht über den Weg laufen. Das ist das Spannende an dieser Oper", meint Simonian. "Es sind drei ganz verschiedene Stimmgruppen, wobei es auch Produktionen gibt, in der alle Partien von einer Dame gesungen werden. Das bewundere ich zutiefst."

Beim letzten Satz hat sich die allgemeine Zustimmung noch verstärkt, handelt es sich doch bei den drei Rollen zwar um lauter Soprane, aber dennoch höchst unterschiedliche Typen und Fächer. Während sich Olympia recht eindeutig als Koloratursopran bezeichnen lässt, kann man Antonia am ehesten als lyrischen und Giulietta als dramatischen Sopran einordnen.

Koloratursopran

Wenn eine Sängerin alle drei Partien und vielleicht zudem die Stella mimt, muss sie als "dramatischer Koloratursopran" all diese Facetten abdecken. Man müsse zwar die anderen Partien nicht mitdenken, "weil sie so unterschiedlich sind", meint Fally, "das wurden wir aber bereits öfter gefragt". Gedanken, wie es wäre, gleich alle Rollen zu übernehmen, gibt es aber schon. Kaiser könnte sich das vorstellen, "vielleicht in ein paar Jahren". Und dann sind die Sängerinnen bereits inmitten einer Diskussion über die Schwierigkeiten und Anforderungen der Partien, aber auch bei Fassungsfragen, die bei dieser Oper besonders spannend sind. Denn Offenbach konnte das Werk nicht vollenden, da er starb, als erst drei der fünf Akte vollständig waren.

Für die Uraufführung wurde das Werk zusammengestrichen und später immer wieder umgearbeitet. Erst in den 70ern entstand eine kritische Fassung von Fritz Oeser. Der Krimi um die Quellen blieb auch danach spannend: 1999 wurde der neu entdeckte Schluss des Giulietta-Aktes uraufgeführt, eine weitere Entdeckung war das bei der Zensur eingereichte Libretto, das Aufschluss über Offenbachs Intentionen erlaubt.

Diese philologischen Fragen haben im Fall von Hoffmanns Erzählungen unmittelbaren Einfluss auf die Partien, wie Simonian berichtet: "Ursprünglich gab es offenbar eine Koloratur-Giulietta. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen." Unter diesen Umständen wäre die Partie zwar auch für Fally interessant, Simonian meint hingegen: "In der Oeser-Fassung hätte ich die Giulietta nicht machen können, da hat sie nicht nur eine Arie mit sehr vielen Koloraturen, sondern ist auch wirklich ein hoher Sopran."

In dieser Hinsicht ist die Rolle der Olympia, der lebensgroßen Puppe, in die sich Hoffmann verliebt, nun aber konkurrenzlos. Die Partie geht bis zum hohen Es, wobei Fally während der Proben überlegt hat, bei den Koloraturen noch mehr zu machen. Geht es ihr dabei manchmal so, dass man als Sängerin funktionieren muss wie eine Maschine? "Manchmal gibt es schon solche Momente, aber meistens Gott sei Dank nicht."

Eine Puppe zu sein, sei zwar "ziemlich einzigartig in der Opernliteratur, aber keine besonders schwierige Vorgabe, viel leichter, als Antonia oder Giulietta zu sein". Zwar kein Automat, aber doch auch ziemlich lebensenthoben ist die kranke Antonia: "Ich sterbe am Singen, das ist ja auch nicht realistisch", meint Kaiser. "Sonst stirbt man ja in der Oper an anderen Sachen und singt noch dabei. Im Vergleich zur Traviata erleidet Antonia einen sehr artifiziellen Tod, weil sie nach ihrer Ekstase auf einem Triller stirbt. Das ist eine interessante Metapher."

Bosheit und Sucht

Die Einzige, die, zumindest in der an der Volksoper gespielten Fassung, nicht stirbt, ist die Kurtisane Giulietta: "Eigentlich bekommt sie, was sie will", erzählt Simonian. "Giulietta bleibt am Ende als einzige von den drei Frauen lachend zurück, nachdem sie ihre Bosheit und Sucht zu größter Rücksichtslosigkeit getrieben hat." Wie war die Arbeit mit Regisseur Peer Boysen?

"Was ich sehr gut finde", sagt Simonian, "ist, dass es kein realistisches Theater ist, sondern eher abstrakt, dass es um Traum und Trance geht, um Bilder, die da projiziert werden: Es wird gezeigt, dass die verschiedenen Charaktere in Hoffmanns Kopf die ganze Zeit da sind." Fally: "Es werden Hoffmanns Genie und Wahnsinn deutlich gemacht, nah an seiner Lebensgeschichte. Auch die Wirtshausszene ist keine klassische Wirtshausszene, sondern eine Geschichte in seinem Kopf – und das ist schon interessant." (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 15./16.12.2007)