Werner Mück.

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"Zahllose Häuptlinge stehen einander im Weg": TV-Chefredakteur a. D. Werner Mück bestärkt den ORF-Chef, TV-, Radio- und Online-Info zu vereinen. Für TW1 wünscht er sich Gebühren. Harald Fidler fragte.

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STANDARD: Herr Mück, die Einladung zu Ihrer Pressekonferenz heute klingt ein bisschen so, als wollten Sie ihre Mutterfirma öffentlich-rechtlich überholen - "200 Stunden Kulturdokumentationen im Jahr, 300 Stunden Dokumentationen aus Österreich, 500 Stunden Reportagen aus aller Welt, 50 Stunden Jazz und eine breite Palette von Special Interest-Magazinen". Sie können es offenbar nicht erwarten, Gebühren zu bekommen?

Mück: Ich erfülle gemeinsam mit dem Team den Auftrag des Gesellschafters ORF und des Gesetzgebers, TW1 als Spartensender für Information, Kultur und Freizeit zu profilieren. Das Ergebnis ermutigt uns, denn mit einem Reichweitenzuwachs von 25% nach der Programmreform im September sind wir weithin die Wachstumssieger und das alles noch ohne Gebührenunterstützung. Der Publikumszuspruch belegt, dass Spartensender mit Qualitätsprogrammen als Ergänzung zum Hauptprogramm unverzichtbar werden, sodass die Umwandlung in einen gebührenfinanzierten Sender ein Gebot der Vernunft ist.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Chancen auf eine ORF-Novelle, die TW1 zum gebührenfinanzierten ORF-Spartensender für Info und Kultur macht? Sie werden zwar der ÖVP zugerechnet, aber gerade diese Regierungsfraktion erweckt die letzten Monate nicht den Eindruck, als wollte sie dem ORF auch nur einen Millimeter entgegenkommen.

Mück: Meines Wissens hat sich an der gemeinsamen medienpolitischen Zielvorgabe im Regierungsprogramm der großen Koalition nichts geändert und darin ist die Umwandlung von TW1 in einen gebührenfinanzierten Spartenkanal vorgesehen. Mit einem Spartenkanal kommt man nicht dem ORF sondern dem Publikum entgegen und das Publikum liegt ja im Fokus aller Parteien.

STANDARD: Wie haben wir uns das Programm eines gebührenfinanzierten Info- und Kulturkanals vorzustellen?

Mück: Das neue Programmschema bei TW1 basiert überwiegend auf Produktionen aus dem ORF-Archiv. Als kommerzieller Sender sind wir damit an die Grenzen der Finanzierbarkeit gegangen, denn wir müssen jede Sendeminute zum handelsüblichen Preis beim ORF kaufen. Als öffentlich rechtliche Tochter des ORF fiele dieser Kostenfaktor weg und die Schätze des ORF-Archivs, die ja alle auch mit Gebührengeldern angelegt wurden, könnten gehoben werden. Verwertung des ORF-Contents - sei es aus dem Archiv oder in Form von Wiederholungen einzelner Sendungen des Hauptprogramms in anderen Zeitzonen - wäre sicher der Kern dieses öffentlich-rechtlichen Spartensenders.

STANDARD: Zeigen Sie dann z.B. Debatten im Nationalrat statt ORF 2, das dann mehr Platz für Serien hat?

Mück: Live-Übertragungen, die mangels breitem Interesse für das Hauptprogramm nicht besonders attraktiv sind, finden auf Spartensendern ihr Zielpublikum. Die Live-Übertragung der Nestroy-Gala im vergangenen November war ein gutes Beispiel dafür. Auch Parlamentsübertragungen passen ins Konzept.

STANDARD: In Sachen Kultur hat der ORF Unmengen von Programm und Aufzeichnungen in seinen Archiven. Aber nach meinem Informationsstand kann er vieles davon nicht zeigen, weil ihm Rechte fehlen. Wie gehen Sie damit um?

Mück: Die Rechte müssen erworben werden, kosten also Geld. Allerdings liegt der Vorteil des Spartenkanals in seinen weit geringeren Tagesreichweiten. Weil sich die Lizenzkosten auch an Reichweiten orientieren, ist vieles, was für die Vollprogramme des ORF oft unerschwinglich ist, für einen Spartensender viel kostengünstiger zu erwerben. Wir sind da jetzt schon bei unserer täglichen Sendeleiste "Kunst&Kultur" auf einem guten Weg.

STANDARD: Der ORF steht unmittelbar vor der Prüfung durch die EU-Wettbewerbsbehörden, ein aufwändiges, oft jahrelanges Verfahren, ob die jeweilige Anstalt Gebühren verwendet, um den Wettbewerb mit Privaten zu verzerren. Meinen Sie, dass die Regierung sich während eines solchen Verfahrens traut, am Gesetz zu drehen und einen weiteren gebührenfinanzierten Sender zuzulassen?

Mück: Die EU-Wettbewerbsbehörde ist keine Schlange, vor der man wie ein Kaninchen erstarren muss. Mit einem Spartenprogramm für Information und Kultur fände man bei der EU-Wettbewerbskommission kaum Widerstand. Im Gegenteil: die Konzentration auf öffentlich-rechtliche Kernaufgaben wie Information und Kultur wird von der EU den öffentlich-rechtlichen Sendern immer wieder abverlangt. Und dazu gehört längst auch ein Spartensender in diesem Segment. ARD und ZDF sind uns da weit voraus.

STANDARD: Sie müssen sich bisher rein kommerziell, also ohne Gebühren finanzieren. Das führt dazu, dass ein Großteil der Programme, die Sie unter öffentlich-rechtlich einreihen, von Firmen oder Institutionen gesponsert werden - wir erinnern uns da etwa an ein Bundesheerpromomagazin mit ORF-Nachrichtenmann Hans Georg Heinke in Uniform oder auch an bezahlte Wahlwerbeshows für die ÖVP Oberösterreich mit Peter Rapp. Ist das kein Widerspruch für Sie?

Mück: Ein kommerzieller Sender lebt von Werbung und den erlaubten Sonderwerbeformen. Bei TW1 verdienen wir auch mit den Wetterkameras gutes Geld. Mit der Programmreform im vergangenen September hat sich die Programmgewichtung weit in Richtung Qualitätsdokumentationen verschoben. Das hat uns mehr Seher und auch zusätzliche Werbeeinnahmen beschert. Dennoch können wir auf die zulässigen Sonderwerbeformen erst verzichten, wenn wir gebührenfinanziert sind.

STANDARD: ORF-General Alexander Wrabetz hat in mehreren Interviews, unter anderem im STANDARD (--> zum Interview), laut darüber nachgedacht, die Information in TV, Radio und Internet zusammenzulegen. Ihnen als TV-Chefredakteur hat man vorgeworfen, Sie hätten "extrem viel Macht in einer Hand", weil Sie aktuelle Fernsehinfo und Magazine leiteten.

Mück: Im Vergleich dazu waren die Proteste gegen meine "Machtfülle" ein Furz im Zwerglgarten. GD Wrabetz wird sich als ehemaliger Studentenmandatar noch gut erinnern, als vor 35 Jahren unter Bacher I Studenten auf die Strasse gingen und gegen die Allmacht des damaligen zentralen Chefredakteurs Alfons Dalma demonstrierten. Bruno Kreisky persönlich schritt ein und warf Bacher aus dem ORF, Dalma "durfte" nach Rom emigrieren. Mittlerweile sind die Strukturen des ORF ein gewaltiger wirtschaftlicher Ballast, die zahllosen Häuptlinge mit ihren Programm-Schrebergärten stehen einander täglich im Weg, Doppel-und Dreigleisigkeiten sind alltäglich. Eine Strukturreform ist längst überfällig und ich wünsche GD Wrabetz gutes Gelingen. Als Einzelkämpfer wird er es allerdings kaum schaffen, denn die Systembewahrer und Besorgnisträger verteidigen ihre Hängematten, ewig grüßt das Murmeltier...

STANDARD: Sie sind am 1. Jänner 62 geworden. Wie lange planen Sie denn, TW1 zu führen?

Mück: Mein Vertrag läuft Ende 2009 aus und ich habe bisher noch jeden Vertrag gehalten. (Harald Fidler/Interview Langfassung, DER STANDARD; Printausgabe, 14.1.2008)